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Morgan bleibt im Loro Parque


Gastbeitrag von Philipp J. Kroiß

Am 23. April 2014 wurde von dem Landgericht in Den Haag/Niederlande bekannt gegeben, dass das Orca-Weibchen Morgan bis auf Weiteres im Loro Parque/Teneriffa bleibt.

Morgan (Foto: Philipp J. Kroiß)

Morgan
(Foto: Philipp J. Kroiß)

Damit wurde das Urteil des Bezirksgerichts in Amsterdam vom Dezember 2012 bestätigt. Eine Entscheidung, die vor allem für das Tier eine gute ist. 2010 wurde sie in den Niederlanden vor dem sicheren Tod bewahrt. Anfänglich bestand die Absicht, sie auszuwildern, was sich aber als unmöglich herausstellte.

Wie Morgan in den Loro Parque kam

Am 26. Juni 2010 wurde Morgan im Wattenmeer (Ameland, NL) von den erfahrenen Delfinrettern des Dolfinarium Harderwijk völlig allein und abgemagert in Menschenobhut gebracht. Wie bereits in vielen anderen Fällen kümmerten sich die Experten in den Niederlanden auch hier um das in Not geratene Tier.

Zum Zeitpunkt der Rettung war Morgan etwa drei Jahre alt und wog 430 Kilogramm (zum Vergleich: Adáns Gewicht bei Vollendung des ersten Lebensjahres betrug 540 Kilogramm). Durch die Hilfe der Angestellten des Dolfinariums in Harderwijk konnte Morgan dann wieder zu Kräften kommen. Von einem niederländischen Gericht wurde entschieden, dass Morgan zwecks besserer Haltungsbedingungen in die modernste Einrichtung für Orcas weltweit verbracht wurde: nämlich ins OrcaOcean im Loro Parque.

Dort wurde Morgan nach und nach in die bestehende Orca-Gruppe integriert.

Morgans Hörfähigkeit ist stark eingeschränkt

Je mehr man mit Morgan arbeitete, desto klarer wurde leider auch, wie schlecht Morgan hört. Dies wird und wurde von Interessengruppen, die sich für die Auswilderung von Morgan einsetzen, als Lüge oder Verschleierungstaktik beschrieben. Deshalb wurden umfangreiche Tests zu Morgans Hörvermögen durchgeführt.

Das Forscherteam bestand aus Spezialisten des niederländischen Instituts für Meeres-Ressourcen und Studien des Ökosystems (IMARES), der nationalen Stiftung für Meeressäugetiere in San Diego, California und auch des US-Navy-Programms für Meeressäugetiere. Der Befund der Wissenschaftler wies zweifelsfrei nach, was schon länger vermutet wurde: Morgan hört entweder sehr wenig oder gar nichts.

Nichtsdestotrotz ist es möglich, über optische oder taktile Signale mit Morgan zu interagieren, da sie auf diese sehr gut reagiert. Ihre schlechte – wenn nicht sogar überhaupt nicht vorhandene – Hörfähigkeit disqualifiziert sie natürlich für eine tierverträgliche Auswilderung, weil gerade das Hörvermögen für Orcas in der freien Wildbahn enorm wichtig ist.

Die Ergebnisse der Untersuchung von IMARES

IMARES (Institute for Marine Resources & Ecosystem Studies) gab mit der Studie „Assessment of basic audiometric functions in killer whales (Orcinus orca) at Loro Parque, Tenerife, Spain“ (Lucke et al., 2013) einen umfangreichen Bericht zum Zustand der Hörfähigkeit von Morgan heraus.

In vergleichenden Untersuchungen wurde festgestellt, dass sie eine starke Hörbehinderung aufweist. Morgan wurden Geräusche vorgespielt, auf die Orcas normalerweise mit Klicklauten reagieren würden. Von den sechs getesteten Tieren (alle zum damaligen Zeitpunkt im OrcaOcean lebenden Tiere bis auf Adán) zeigten fünf Reaktionen, die gemäß Szymanski et al. 1999 zu erwarten waren. Morgan antwortete jedoch nicht.

Die Experten kamen zu folgendem Schluss: „While click-evoked AEPs [=auditory evoked potentials] were measured in all of the other killer whales tested, no AEP responses were found in Morgan, even at the highest click level that could be tested (134 dB dB re 1 μPa peak-to-peak equivalent (ppe)). The lack of a click-evoked response in Morgan suggests that this killer whale suffers from a hearing deficit.“

Experten zum Thema: Auswilderung von Morgan

Im Zusammenhang damit, dass Morgan zwei Jahre im Loro Parque lebte, stellte der Park auf seinem Blog drei Expertisen bereit. Dr. Andrew Greenwood, einer der bedeutendsten Experten auf dem Gebiet der Cetaceen-Gesundheit, stellt fest: „In general, with the exception of her hearing deficit, Morgan’s physical condition and health are excellent. From what I was able to see from her behaviour, her psychological health is also good. I was satisfied that she was being given the best of care.“

Prof. Dr. Dietmar Todt, ebenfalls weltweit anerkannter Experte, der mit Morgan und ihren Fall seit 2011 bekannt ist, und ferner Doktorvater von Dr. Karsten Brensing, schrieb auch als leitender Experte von NABU: „Morgan’s rescue by the experts of he Dolfinarium Harderwijk and Loro Parque can be described as successful. Acutally Morgan is not apt to live in the wild.“ Diese Einschätzung teilen ebenfalls die Experten Wolfgang Rades und Heike Finke von NABU.

Unverständlich: Auswilderung immer noch gewünscht

Es gibt immer noch Interessengruppen, die tatsächlich fordern, dass das Tier, welches nach Meinung internationaler Experten in der Wildbahn nicht überleben kann, ausgewildert wird. Dies bleibt für jene, die die Fakten kennen, unverständlich.

Der PeTA-nahe veganblog macht solchen Menschen auch noch Hoffnung, indem er schreibt: „Noch mehrere Jahrzehnte wird Morgan so leben müssen. Es sei denn: niemand kauft mehr eine Eintrittskarte in das Orca-Gefängnis.“

Diese Angabe ist falsch. Der Grund, weshalb Morgan nicht ausgewildert wird – nämlich ihre Hörbeeinträchtigung -, wird nicht dadurch „geheilt“, dass niemand mehr den Loro Parque besucht. Das Tier wird Zeit seines Lebens in Menschenobhut verbleiben, da es zu einem Leben in der Wildbahn nicht fähig ist.

In dem Text liest man dann noch die Worte: „Fordere den Loro Parque auf Facebook auf, Morgan und alle anderen Orcas und Delfine frei zu lassen.“ Angewandt auf die Realität heißt das: Fordere den Loro Parque auf, seine Tiere zu töten. Kein Delfin (ob Orca oder atlantischer Großtümmler), der aktuell im Park lebt, ist nach momentanem Kenntnisstand auswilderungsfähig.

Morgan und Trainer (Foto: Philipp J. Kroiß)

Morgan und Trainer
(Foto: Philipp J. Kroiß)

Umgang mit Morgan

Der Gesundheitszustand von Morgan ist hervorragend und sie kommt mit ihrem Handycap in der geschützten Umgebung des OrcaOcean gut klar. Die Trainer gehen auf ihre Behinderung besonders ein, indem sie ein Lichttarget benutzen, der u.a. den obligatorischen Pfiff ersetzen soll. Fortschritte damit sind zu verzeichnen.

Jeder kann nachvollziehen, dass ihr so eine Fürsorge in der Wildbahn nicht zuteil werden würde. Sie würde ohne menschliche Betreuung schlichtweg verdursten, da sie sich den Fisch nicht beschaffen kann, der ihr die nötige Flüssigkeit zum Überleben sichert. Eine Auswilderung wäre somit unverantwortlich.

Freiheit ist kein Bedürfnis von Tieren

Es wird damit argumentiert, dass Morgan lieber frei sein würde. Erst mal ist das eine reine Selbstprojektion des Menschen in das Tier, die keine verwertbaren Aussagen in einer so (zumindest für das Tier lebens-) wichtigen Diskussion liefert.

Ferner ist Freiheit kein Bedürfnis von Tieren. Der Verein deutscher Zoodirektoren, dem auch der Loro Parque angehört, argumentiert den Forschungsstand zusammenfassend: „Freiheit ist kein Bedürfnis von Tieren. Sie ist grundsätzlich auch in der Natur stark eingeschränkt. Gründe dafür sind der (im Vergleich zum Menschen geringere) Grad der Cerebralisation sowie viele endogene und exogene Faktoren. In Menschenobhut gehaltene Tiere brauchen aber in jedem Fall Gehege, die so eingerichtet und gestaltet sind, dass sie darin alle ihre Grundbedürfnisse befriedigen können, und die ihrem Verhalten angemessen Rechnung tragen.“

Fazit

Das Fazit in dieser Frage fällt recht kurz und eindeutig aus: Es war die richtige Entscheidung, dass Morgan im Loro Parque bleibt, weil sie nach momentanem Kenntnisstand eine Auswilderung nicht überleben würde. Deshalb ist die Forderung nach einer Auswilderung des Tieres nach allem, was man heute weiß, die Forderung nach dem Tod von Morgan.

3 Kommentare

  1. Auf der EAAM-Tagung 2014 in Teneriffa wurde noch eine weitere Untersuchung zu Hörfähigkeit von Morgan präsentiert. Hierbei wurden vergleichend die Gehirnströme von 4 Orcas (alle aus Orca Ocean) gemessen, um die Hörfähigkeit von Morgan ohne Verfälschungen beurteilen zu können.

    Dieses Verfahren wird seit Jahren sowohl ei allen möglichen Tieren (einschließlich Delfinen) eingesetzt, als auch bei menschlichen Kleinkindern als Standardtest kurz nach der Geburt, da weder ein „Schummeln“ möglich ist, noch ein Training erforderlich.
    Allerdings stößt das Verfahren bei Großwalen irgendwann an Grenzen, da die Signalqualität mit der Dicke der Haut- und Flubberschicht abnimmt. Da noch keine Referenzwerte für Orcas dokumentiert waren, wurden die im Vergleich zu Morgan gleich großen bzw. etwas größeren Tiere aus dem LoroParque als direkte Vergleichswerte herangezogen.

    Das Ergebnis war ernüchternd eindeutig: Bis zur Lautstärke-Grenze des Schallgebers war es nicht möglich, auch nur die geringste Hörfähigkeit aus den Gehirnströmen von Morgan abzulesen, während die übrigen 3 Tiere bereits bei -30 dB sehr deutiche Signalantworten zeigten. Hierzu wurden die Gehlrnströme sowohl im Wasser, als auch außerhalb des Wassers (bessere Signalqualität) gemessen, wobei auf dem Trockenen der Schallgeber direkt am „akustischen Fenster“ am Unterkiefer angesetzt wurde.

    Auch die anfängliche, vermeintliche Beobachtung, Morgan würde möglicherweise auf die Trainerpfeife reagieren, stellte sich in der Videozeitlupe als Täuschung heraus. Wie einige Tierpfleger bereits vermutet hatten, reagierte Morgan eben nicht auf die Pfeife, sondern ahmte immer nur zeitverzögert auf das Verhalten der anderen Tiere nach.
    Nachdem man Morgan (aber nicht die übrigen Orcas) auf Lichtsignale (Blinken in unterschiedlichen Rhythmen) trainiert hatte, zeigte sich in der (Video-)Beobachtung genau das umgekehrte Verhalten. Diesmal ahmten die nicht auf die Lichtsignale trainierten Tiere entsprechend zeitverzögert das Verhalten Morgans nach, während Morgan unmittelbar (und damit stets als Erste) auf die Lichtsignale reagierte.

    Vor diesem Hintergrund noch von einer Auswilderung Morgans zu reden, ist meines Erachtens in keiner Weise mehr nachvollziehbar. Da das Tier ohne Gehör (selbst -30 dB ist so gut wie taub) auch sein Sonar nicht nutzen kann, wäre natürliches und damit trübes Wasser für Morgan die reinste Folter.

    geschrieben von Norbert
  2. bravo philipp.das ist die beste entscheidung gewesen fuer morgan.ich freue mich riesig darueber.

    geschrieben von Sabine Widmann
  3. Großartig, Phillpp!
    Kurz und Knapp auf den Punkt gebracht! Morgan wäre „draußen“ nicht überlebensfähig!

    geschrieben von Rüdiger

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