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Warum bezichtigt ausgerechnet Ortmüller andere der Lüge?


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Meeresakrobaten/28. Juni 2015

Wie schon so oft versucht Jürgen Ortmüller von der Ein-Mann-Organisation WDSF (Wal- und Delfinschutz-Forum) Stimmung gegen den Nürnberger Tiergarten zu machen.

Demonstranten vor dem Zoo Nürnberg (Foto: Rüdiger Hengl)

Jürgen Ortmüller (links) vor dem Nürnberger Tiergarten
(Foto: Rüdiger Hengl)

„Auf Teufel komm raus“ möchte er die beiden letzten Delfinarien in Deutschland (außer im Nürnberger Tiergarten werden noch im Duisburger Zoo Große Tümmler gehalten) schließen. Und das, obwohl beide wissenschaftlich geführte Einrichtungen international hoch angesehen sind.

Um möglichst viele Mitstreiter zu gewinnen, tritt Ortmüller, der nach eigenen Angaben auf seiner WDSF-Website hauptberuflich Steuerberater – also weder Meeresbiologe noch Biologe, Veterinär o.Ä. – ist, in der Öffentlichkeit gerne mit einseitiger und manchmal sogar unwahrer Berichterstattung auf.

Medikamenteneinsatz

Das Thema Medikamentengabe bei den Großen Tümmlern im Nürnberger Tiergarten gehört offenbar zu den „Lieblingsstreitpunkten“ von Ortmüller. Schließlich kann man mit Schlagworten wie „Medikamentenmissbrauch“, „Psychopharmaka“, „hohes Suchtpotential“, „mit Medikamenten vollgepumpt“, „erinnert an eine Intensivstation“ usw. bei „klickfreudigen“ Anhängern punkten.

Nachdem Ortmüller offenbar vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eine Stellungnahme zum Medikamenteneinsatz bei den Großen Tümmlern im Nürnberger Tiergarten erhalten hat, setzt er Fragmente aus dem vom LGL erhaltenen Schreiben in einer Pressemitteilung medienwirksam in Szene.

Schlagzeilen statt Hintergrundinformationen

Weder Hintergründe des Medikamenteneinsatzes noch tiermedizinische Notwendigkeiten werden von Ortmüller bzw. dem WDSF erläutert – er spricht viel lieber über „Skandal und Lüge“. Emotional aufgeladene Parolen kommen bei potenziellen Spendern und auf spektakuläre Schlagzeilen abfahrenden „Internet-Likern“ erfahrungsgemäß besser an als sachliche Informationen.

Auch der Tiergarten in Nürnberg ist Mitglied der WAZA (Foto: Susanne Gugeler)

Lagune im Tiergarten Nürnberg
(Foto: Susanne Gugeler)

Zitat aus Ortmüllers Pressemitteilung

So schreibt das WDSF am 24. Juni 2015:

„Vom Tiergarten wurde stetig behauptet, dass Psychopharmaka nur als Appetitanreger bei den Delfinen eingesetzt würden. Damit sind Encke und Baumgartner der Lüge überführt. Das Ganze ist ein Skandal und die Aufsichtsbehörden lassen den Tiergarten gewähren, ohne dass bisher Maßnahmen ergriffen oder von Seiten der Stadt Konsequenzen gegenüber den beiden Verantwortlichen gezogen worden sind.“

Nicht haltbare Vorwürfe

Doch auch hier irrt sich Ortmüller mal wieder und verbreitet zum wiederholten Mal in einer seiner Pressemitteilungen nicht haltbare Vorwürfe. Denn es ist nicht richtig, dass der Tiergarten vorgibt, Beruhigungsmittel „nur“ als Appetitanreger zu verabreichen. Siehe dazu auch den Meeresakrobaten-Artikel Tiermedizinische Praxis bei Delfinen. Dort wird von der Tierärztin des Nürnberger Tiergartens genau aufgeführt, in welchen Fällen ein Beruhigungsmittel gegeben wird.

Arnie und Joker

Ortmüller zitiert aus dem vom LGL erhaltenen Schreiben, dass die beiden Großen Tümmler Arnie und Joker über einen längeren Zeitraum hinweg das Beruhigungsmittel Diazepam verabreicht bekommen hätten. Das ist durchaus richtig. Leider bleibt Ortmüller die Hintergrundinformation zu dieser Medikamentengabe seinen Lesern schuldig.

Arnie und Joker (Foto: Susanne Gugeler)

Arnie und Joker (Foto: Susanne Gugeler)

Niemand wollte Arnie und Joker aufnehmen

Die Hintergrundinformation möchte ich hier gerne nachreichen. Dass sich der Nürnberger Tiergarten 2008 bereit erklärt hatte, die beiden Delfin-Bullen Joker und Arnie aus dem aufgelösten Delfinarium im Heide-Park/Soltau „kurzfristig“ aufzunehmen, bis eine optimale Unterbringungsmöglichkeit gefunden würde, ist auch Ortmüller und seinen Anhängern bekannt. Schließlich bejubeln sie öffentlich jede Schließung einer Delfin-Einrichtung und schreiben derartige „Erfolge“ gerne auf ihre Fahnen.

Doch genau mit diesen beiden Delfin-Brüdern gab es von Anfang an Schwierigkeiten. Sie konnten nicht in die bestehende Gruppe im Tiergarten integriert, aber auch nicht ohne Weiteres in eine andere Einrichtung vermittelt werden, da sie nicht dem Tiergarten, sondern dem Vergnügungspark-Betreiber „Merlin Entertainment“ gehörten.

Händeringend wurde nach einem Platz für die beiden Tiere gesucht. Doch letztendlich dauerte es fünf Jahre (!), bis eine optimale Lösung gefunden werden konnte. Siehe dazu auch den BR-Beitrag vom 25. Juni 2015.

Über Arnie und Joker wird öffentlich kommuniziert

Die Folge war, dass Arnie und Joker kurz nach Übersiedelung in das alte Delfinarium II (es diente damals auch als Aufzuchtbecken) des Nürnberger Tiergartens über einen längeren Zeitraum das Mittel Diazepam bekamen, um ihre Aggressivität zu dämpfen. Nach Fertigstellung der Delfin-Lagune wechselten sie dorthin in ein von der übrigen Gruppe abgetrenntes Becken mit Sichtkontakt zu den anderen Tieren.

Ab diesem Moment wurde ihr Verhalten verträglicher. Genau darüber spricht die Tierärztin des Nürnberger Tiergartens – Katrin Baumgartner – öffentlich bei einer Anhörung, die 2014 im Landtag NRW stattfand. Zu dieser Anhörung gibt es ein öffentlich zugängliches Protokoll (siehe dort Seite 37). Zu der Anhörung war es gekommen, weil die Piraten-Partei die Schließung des Duisburger Delfinariums gefordert hatte.

Der Antrag wurde übrigens am 29. Oktober 2014 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, FDP und Grünen abgelehnt. Rainer Deppe (CDU) sagte damals: „Wenn den Piraten die Delfine am Herzen lägen, dann würden sie sich um die 300.000 Delfine weltweit kümmern, die jährlich in den Fangnetzen landeten, und nicht um die 17 Delfine, die in Deutschland unter besten Bedingungen gehalten würden.“

Im "Blauen Salon", Nürnberg (Foto: Rüdiger Hengl)

Im „Blauen Salon“, Nürnberg (Foto: Rüdiger Hengl)

2013 (fünf Jahre dauerte die ursprünglich als nur „kurzfristig“ geplante Übergangslösung) wurde Joker schließlich an ein anderes Delfinarium abgegeben, in dessen bestehende Gruppe er gut eingegliedert werden konnte. Arnie hat sich inzwischen sehr gut in die Nürnberger Gruppe integriert.

Betreute Bucht ist ein Fantasiegebilde

Ortmüller spricht immer wieder gerne von einer betreuten Bucht unter fachkundiger Aufsicht (wohlgemerkt er selbst ist Steuerberater, also weder Meeresbiologe, Biologe, Veterinär, der sich auf Meeressäuger spezialisiert hat, o.Ä.!), in der er Delfinen das „Gnadenbrot“ geben möchte. Doch diese Bucht kann er nicht vorweisen, sonst hätte er sich doch bestimmt bemüht, Arnie und Joker eine neue Heimat zu bieten. Aber wie gesagt, das Schicksal der beiden Bullen wurde vom Tiergarten und nicht von ihm – dem selbst ernannten Delfinschützer – gelöst.

Medikamentengabe war fachlich indiziert und von arzneimittelrechtlichen Vorschriften gedeckt

Von Ortmüller verschwiegen (oder nicht gewusst?) wird außerdem, dass laut Aufsichtsbehörde des Erlanger Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) die „Anwendung fachlich indiziert und somit von den arzneitmittelrechtlichen Vorschriften gedeckt gewesen“ sei (siehe Filmbeitrag im BR bei Stelle 2:01).

Auch von einer „konsequenten Ruhigstellung“ von Delfinen durch Psychopharmaka – wie dies immer wieder von extremen Delfinariengegnern vorgebracht wird – kann keine Rede sein.

Zoo-Direktor weist Vorwürfe zurück

In einem Zeitungsartikel, der anlässlich Ortmüllers Vorwürfen erschien, bestätigt Dag Encke – der Leiter des Nürnberger Tiergartens – außerdem, dass die Verabreichung von diesen Medikamenten (gemeint ist u.a. Diazepam) nur nach Absprache und mit Genehmigung eines Amtstierarztes erfolge. Siehe dazu bitte Tierschützer kritisieren Arzneieinsatz.

(Fragwürdige) Aktionen extremer Organisationen

Was sich extreme Delfinariengegner noch so alles einfallen lassen, um zwei vorbildlich geführte Einrichtungen, die allen amtlichen Vorgaben genügen und sogar darüber hinaus immer wieder in Optimierungen investieren, zu schließen, kann man in einer Zusammenstellung unter (Fragwürdige) Aktionen extremer Organisationen finden.

Zum Thema

* Tiermedizinische Praxis bei Delfinen
* Fernsehbeitrag des Bayrischen Rundfunks vom 25. Juni 2015 Tiergarten Nürnberg – Delfine ruhiggestellt?

1 Kommentare

  1. Wie der stellvertretende Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten Michael Husarek Ortmüllers Aktionen einstuft, kann man in dessen Kommentar vom 26.6.2015 lesen.

    Delfinhaltung in Tiergärten zu kristisieren, sei legitim. Doch solle dabei das Gebot der Fairness nicht zugunsten des Schielens nach Schlagzeilen aufgegeben werden.

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
    https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10206491268471124&set=a.1470723778717.61471.1552308094&type=1&theater

    geschrieben von Rüdiger

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