Berichte, Biologen-Blog

Sanctuaries – Eine große Tierschutzlüge


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Serie von Benjamin Schulz, Teil 10
14. September 2015

Hallo liebe MEERESAKROBATEN-Fans!

Benjamin mit Großem Tümmler (Foto: Benjamin Schulz)

Benjamin mit Großem Tümmler
(Foto: Benjamin Schulz)

Heute erfahrt ihr etwas über Sea-Pen-Sanctuaries, deren Notwendigkeit und deren Missbrauch durch Delfinariengegner.

Kleinstreservate für Meeressäuger

Sea-Pen-Sanctuaries sind in natürlichen Meeresbuchten bzw. Lagunen abgegrenzte Kleinstreservate für Meeressäugetiere, vor allem Delfine und Wale.

In diesen vom Menschen betreuten Buchten sollen die Tiere möglichst naturnah leben. Von Tierrechtsaktivisten werden die Sanctuaries deshalb besonders stark beworben und auch instrumentalisiert gegen die Delfinhaltung.

Es kommt auf das Motiv an

Die grundsätzliche Idee, die hinter den Sanctuaries steht, ist sicher eine gute und ich persönlich bin auch davon überzeugt, dass in Zukunft die Notwendigkeit für solche Sanctuaries bestehen wird. Doch das Konzept hat starke ökologische und wirtschaftliche Beschränkungen, die dazu führen, dass Sanctuaries bei Weitem kein Allheilmittel sind. Und eben für die Motive, die bei Delfinariengegnern hinter den Kampagnen für Sanctuaries stehen, ist dieses Konzept gar nicht geeignet.

Außenanlage (Foto: Rüdiger Hengl)

Außenanlage des Meerestierparks in Harderwijk
(Foto: Rüdiger Hengl)

Delfine vermehren sich gut

Für mich persönlich gibt es nur einen vernünftigen Grund, die Delfinhaltung in Delfinarien langfristig aufzugeben und die Tiere in betreute Buchten zu überführen: das Problem der Überfüllung.

Die Delfine in unseren Delfinarien vermehren sich gut, zu gut. Mittlerweile wird der Platz eng und es müssen ständig neue Delfinarien gebaut werden, um Tiere aufzunehmen. Dass die Errichtung von immer neuen Becken allerdings schnell an wirtschaftliche Grenzen stößt, ist allen Verantwortlichen auch klar. Schon jetzt wird es immer schwerer, allen Tieren das Ausleben ihrer Grundbedürfnisse zu natürlichem sozialem Kontakt und Fortpflanzung zu gewähren.

Kaum Platz für betreute Buchten

Dieses Problem kann durch die Nutzung von Sanctuaries gelöst werden. Allerdings unterliegt auch dieses Konzept starken Beschränkungen. Denn wer denkt, in den Meeren gäbe es genug Platz, hat das Konzept der Sanctuaries nicht verstanden. An den Küsten lebt ein Großteil der Weltbevölkerung. Schiffsverkehr und Industrie wachsen ständig. Viel Platz für Sanctuaries gibt es bereits jetzt schon nicht mehr.

Mutter und Kind (Foto: Susanne Gugeler)

Delfine vermehren sich in Delfinarien sehr gut.
(Foto: Susanne Gugeler)

Die betreuten Buchten können auch nicht so einfach wachsen. Küstenabschnitte werden immer schneller erschlossen und gehören Regierungen, Industriefirmen, Tourismusbranchen oder Privatleuten. Fischerei und Schifffahrtslinien bestimmen ebenso die Nutzung der Küstenbereiche.

Bereits bestehende Naturreservate dürfen übrigens nicht für die Errichtung solcher Sanctuaries genutzt werden: die Umweltschutzbestimmungen verbieten jeglichen Eingriff in diese geschützten Ökosysteme.

Sanctuaries sind nach Gesetz Wirtschaftsbetriebe wie jedes andere Delfinarium auch. Sie verbrauchen Ressourcen und tragen zur Verschmutzung bei. Deshalb braucht es für Sanctuaries bis ins kleinste Detail ausgearbeitete ökologische Studien und wissenschaftliche Gutachten sowie strikte Zeitpläne.

Auf der nächsten Seite geht es darum, dass ein romantisch verklärter Blick keinem Delfin etwas nützt.

2 Kommentare

  1. Meine Meinung zu den angesprochenen „Sea-Pen-Sanctuaries“ ist sehr durchwachsen, um nicht zu sagen „eher ablehnend“. Klar, ist das die „natürlichste“ Umgebung, die man domestizierten Delfinen bieten kann. Andererseits kann man solche Gehege nur an recht wenigen Orten einrichten (Wasser- und Lufttemperaturen im Winter) – im Wesentlichen nämlich in der Karibik und in Teilen des Mittelmeeres – wobei Letzteres schon wieder das Problem mit der „falschen“ Delfin-Unterart hat. Zudem bin ich mir alles andere als sicher, ob ein Delfinarien-gewöhnter Delfin wirklich so wild auf mehr oder weniger dreckiges Wasser, Parasiten, nervige Möven und ungefiltertes Wetter ist.

    In der Realität kämpfen praktisch alle bestehenden „Sea-Pen-Sanctuaries“ regelmäßig mit Stürmen, die an Meeresküsten bekanntlich eine immense Wucht entwickeln können und nicht selten dazu führen, dass die Delfine in ihren Gehegen jämmerlich ertrinken oder von einlaufenden Brechern auf Land oder gegen Mauern gespült und verletzt werden.
    Einzelne Meeresgehege in der Karibik sind sogar dazu übergegangen, bei heraufziehenden Stürmen ihre Delfine mit Sendern auszustatten und auf das offene Meer hinaus zu treiben (nein, das tun die ganz und gar nicht freiwillig!), in der Hoffnung, dass sie dort eine bessere Überlebenschance haben (was offenbar der Fall ist). Dennoch bedeutet ein Orkan in solchen Gehegen fast jedes mal auch tote, vermisste (ein Sender, der zusammen mit dem toten Tier tief genug absinkt, kann nicht mehr mit vertretbarem Aufwand geortet werden), und verletzte Delfine.

    Natürlich kann man die „Sea-Pen-Sanctuaries“ zumindest theoretisch in geschützen Buchten und Lagunen anlegen (was bei einem ausgewachsenen Hurrican auch nicht viel bringt), aber da liegen die noch verfügbaren Grundstücke bereits jetzt praktisch bei Null – oder sie liegen in unmittelbarer Nähe großer Hafen- und Industrieanlagen.

    Ich befürchte, dass ordentlich gebaute und geführte Inlands-Delfinarien am Ende doch die beste Lösung sind. Denn offenbar haben die Großen Tümmler die merkwürdige Eigenheit, dass eine Domestizierung zwar recht schnell und einfach vonstatten geht, aber letztlich nicht mehr rückgängig zu machen ist.

    Und ich wüsste am Ende auch keinen Grund, der gegen weitere Delfinarien spricht, wenn diese im Großen und Ganzen der jeweiligen „Best practice“ genügen und durchweg mit Nachzuchten ausgestattet werden können. Vermutlich wird man aber auf Dauer auch nicht um eine Begrenzung der Nachkommenszahlen durch Medikamente („Pille“) herumkommen.

    Ich sehe da aber vorher noch die durchaus attraktive Möglichkeit, die Zahl der Wildfänge dadurch gegen Null zu reduzieren, dass man den Markt für Delfine mit einer hohen Zahl von legalen Nachzuchten für andere „Anbieter“ (Taiji, Salomonen) unattraktiv macht und damit zumindest eine wichtige Einnahmequelle solcher Jagden abgräbt.
    Bei weniger im öffentluchen Fokus stehenden Tierarten (z.B. Papageien) hat man diese Möglichkeit bereits wiederholt und letztlich sehr erfolgreich durchexerziert – ob das auch bei Delfinen funktionieren kann, ist schwer zu sagen – auf jeden Fall verlieren solche Unternehmungen ihre wichtigsten Unterstützer, wenn niemand mehr an deren Lebenfängen interessiert ist.

    Die Färöer-Inseln sind da leider nochmal ein ganz anderer Fall. Die werden vermutlich erst dann mit ihren sinnlosen Abschlachtorgien aufhören, wenn die Grindwale rund um die Inseln ausgerottet sind. Tradition eben …

    geschrieben von Norbert
  2. Das „Dolphin Care“-Projekt am Roten Meer ist allein schon deshalb ein gefährlicher Unsinn, weil im Roten Meer eine andere Unterart des Großen Tümmlers (der kleinere indopazifische Große Tümmler ca. 120 kg) lebt, als in den Delfinarien (Karibischer Großer Tümmler, ca. 250 – 300 kg).

    Die Tiere aus den Delfinarien haben im Roten Meer schlicht nichts zu suchen. Würde das Gehege aus irgendeinem Grund zerstört (und die Delfine tatsächlich auswildern), könnten sie bei der endemischen Population immensen Schaden anrichten, da sie den dort lebenden Tümmlern körperlich weit überlegen sind. Umgekehrt sind die Delfine aus den Delfinarien nicht mit den dort lebenden Gifttieren vertraut (Rotfeuerfisch, Stechrochen u.A.) und würden – so sie nicht mangels Jagderfahrung verhungern – höchstwahrscheinlich an Vergiftungen und Stichen sterben.

    An eine Auswilderung in diesem Gebiet braucht man erst gar nicht zu denken.

    Aber solche Details scheinen die selbsternannten „Experten“ ja nicht weiter zu stören.

    geschrieben von Norbert Fleck

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