Die inneren Organe der Delfine


Benennung der inneren Organe eines Großen Tümmlers: A=After, AO=Hauptschlagader (Aorta), BP= Blutgefäße, BV=Harnblase, D=Darm, GU=Gebärmutter, H=Herz, K=Niere, L=Lunge, LA=Kehlkopf, LE=Leber, LI=Milz, M=Magen, MI=Milchdrüse, OP=Becken, W=Wirbel, WN=Wundernetz
(Zeichnung: Günther Behrmann)

Eine Pressemitteilung vom März 2006 über den Fund eines großen Ambra-Klumpens (Ambra wird auch das „weiße Gold“ der Parfümindustrie genannt) hat mich dazu veranlasst, den nächsten Anatomie-Teil in Angriff zu nehmen. Zwar handelt es sich bei Ambra um eine Ausscheidung des Pottwals und nicht um die eines Delfins, aber das Thema ist so interessant, dass ich es im Rahmen dieser Reihe in einem kleinen Exkurs aufgreifen möchte. Geholfen hat mir dabei – wie schon bei den Anatomie-Teilen 1 bis 4 – der bekannte Walforscher Günther Behrmann aus Bremerhaven. Zunächst einmal möchte ich aber das Verdauungssystem der Delfine beschreiben.

Der Verdauungstrakt der Delfine

Delfine sind sehr gefräßig. Sie haben einen hohen Kalorienbedarf, da sie nahezu pausenlos in Bewegung sind und trotz ihrer dicken Speckschicht ständig ihren Wärmeverlust im Wasser ausgleichen müssen. (Ihre Körpertemperatur beträgt ca. 35 Grad Celsius.)

Delfinmagen

Der Große Tümmler benützt seine 80 bis 90 kegelförmigen Zähne nur zum Fangen und Festhalten der Beute. Er fängt einen Fisch, legt ihn quer, zerdrückt ihn dabei und verschluckt ihn, den Kopf voran, als Ganzes. Wenn Delfine jagen, schießen sie mitten in die Fischschwärme (Heringe, Makrelen, Sardinen) und packen, was sie erwischen können. Die Mahlzeit dauert etwa eine Stunde. Ein 160 kg schwerer Delfin frisst mindestens 8 kg Fisch am Tag.

Der obere Verdauungstrakt der Odontoceti (Zahnwale) ist in drei Abschnitte gegliedert:
– In einem dem Vormagen der Wiederkäuer ähnelnden Kropf (auf Abbildung die Nummer 2; nach Behrmann) wird die Nahrung durch kräftiges Zusammenziehen der Muskulatur und unter Mitarbeit von Sand und Steinchen zerkleinert (ähnlich wie im Muskelmagen der Vögel). Er ist mit einer glänzend weißen Schleimhaut ausgekleidet; in ihn münden kleine Drüsen. Wenn auch die Einteilung des Walmagens sehr stark an jene der pflanzenfressenden Huftiere oder der blattessenden Guereza-Affen erinnert, muss doch die Funktion des Kropfes eine ganz andere sein, weil in diesem Abteil keine zellulosespaltenden Bakterien oder Einzelligen gefunden werden.
– Im violettfarbigen und sammetartigen Hauptmagen (auf Abbildung die Nummer 3) befinden sich Salzsäure absondernde Magendrüsen. Außerdem tragen hier die Enzyme Pepsin und Lipase zur Verdauung bei.
– In den letzten Abschnitt – den Pförtnermagen oder Nachmagen (Pylorusmagen; auf Abbildung die Nummer 4) – münden die Pylorusdrüsen, die ein schleimiges Sekret absondern. (5 = Zwölffingerdarm, 6 = Darm, 7 = Milz, die Nummer 1 weist auf die Speiseröhre.)

Die Darmlänge der Wale entspricht der der meisten Fleischfresser. Zwischen Dünn- und Dickdarm besteht kein scharfer Unterschied. Ein kleiner Blinddarm kommt nur bei den Bartenwalen und beim Ganges-Delfin vor. Im Darmkanal des Pottwals bildet sich das von der Parfümindustrie verwendete Konkrement (krankhaftes festes Gebilde, das in Körperflüssigkeiten und Körperhohlräumen entsteht) Ambra.

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Pottwal-Modell (mit Tintenfisch)

EXKURS: Ambra oder „Vom Fischer und seiner Frau …“

… so könnte man die Geschichte vom australischen Fischer, der zusammen mit seiner Frau einen seltsamen Klumpen am Strand fand, nennen. Für große Schlagzeilen sorgte der eigentümliche Fund im Januar 2006. Dabei handelte es sich bei dem Haufen Glück am Strand von Streaky Bay nur um ein stinkendes, graues Ding. Loralee Wright hätte es beinahe übersehen. Zunächst hielt sie es für einen vermoderten Baumstamm. Als sie es dann zusammen mit ihrem Mann Leon näher untersuchte, stellten die beiden fest, dass die Oberfläche des Klumpens ein bisschen spröde war – wie ausgehärtet in der Sonne. Das Innere war weicher und ölig. Das Ganze roch süßlich, aber gleichzeitig streng nach Meer, ein wenig faulig wie alter Seetang. Leon Wright tippte auf eine Zyste von einem sehr großen Fisch.

Nach Recherchen im Internet und einem Telefonat mit einem Fachmann für Meeresbiologie wusste das Fischer-Ehepaar mehr: Bei dem unscheinbaren Klumpen handelte es sich um Ambra – der Ausscheidung eines Pottwals. Sie wird in der Parfümherstellung verwendet und ist äußerst wertvoll. Ein Gramm davon soll zwischen 20 und 65 US-Dollar kosten. Die Waage zu Hause zeigte 14,75 Kilogramm an!!! Das würde eine halbe Million Dollar oder mehr ausmachen …

Ambra, der Stoff, den die Wrights gefunden hatten, ist eine organische Substanz; sie entsteht aus Nahrungsresten im Darm von Pottwalen und wurde bisher bei keiner anderen Walart gefunden. Günther Behrmann (Centre of Marine Research and Investigations on Cetacea, Bremerhaven): „Die Hauptnahrung der Pottwale sind Tintenfische, deren hornartige Saugnapfringe, Schnäbel und Schulpe unverdaulich sind. Durch die Peristaltik des Darmes werden die Horne zerrieben und bilden ein Geflecht. Zwischen diesem wird nun alles eingelagert, was der Körper nicht benötigt oder durch Verletzungen der Darmwände neu entsteht. Kleinere Klumpen, von dunklen Kotresten umgeben, verlassen auf natürlichem Wege den Pottwal. Wird ein Ambraklumpen so groß, dass er den Darm nicht mehr auf natürlichem Wege passieren kann, führt dieser Darmverschluss zum Tode. Etwa jeder 200. Pottwal stirbt daran. Der größte jemals gefundene Ambraklumpen war 417 Kilogramm schwer.

Ein 5 cm großer Ambra-Batzen

Weil Ambra leichter als Wasser ist, das spezifische Gewicht liegt um 0.910, wird es vom Wasser verfrachtet. Wird dann ein Ambraklumpen am Strand gefunden, riecht er gar nicht gut und kann so mit paraffinartigen Abfällen, die von Ölbohrinseln stammen, verwechselt werden. Doch wenn die Kotreste entfernt und der Klumpen getrocknet ist, hat der echte Ambraklumpen eine hellgraubraune Farbe. Bricht man ihn dann auf und sein Inhalt erstrahlt weiß, hat man das reinste und teuerste Ambra. Überprüfen kann man seinen Fund nun, indem man ihn sehr nah an eine Wärmequelle hält, Experten benutzen dafür eine glühende Zigarette. Entweicht ein süßlicher moschusartiger Duft, handelt es sich um Ambra.

Seit der Antike ist Ambra der begehrteste Duftstoff, und schon Cleopatra hat ihn mit Gold aufgewogen. In früheren Zeiten wurde Ambra auch als Aphrodisiakum oder als Beruhigungsmittel verabreicht. Seinen hohen Wert hat es bis heute behalten, denn Ambra ist ein Duftträger, der andere Duftöle einbindet. Hochwertige Parfüme, die ihren Duft über einen längeren Zeitraum und über mehrere Wäschen behalten, enthalten Ambra. Schon im alten Ägypten wurde Ambra benutzt, man nahm die Substanz für Duftkerzen und Wässerchen. Ins Parfum gemischt, bindet Ambra die anderen Düfte, es sorgt dafür, dass das Aroma nicht so schnell verfliegt.

Weil die Pottwale bis heute ihr Produktionsgeheimnis nicht verraten haben, ist es bis heute nicht gelungen, einen gleichwertigen Ersatz zu produzieren, deshalb wird trotz des Handelsverbotes mit Walprodukten heute noch Ambra gehandelt und verwertet.“

Siehe auch: Ambra – Graues Gold aus dem Pottwal-Magen und Verarmter Fischer findet Wal-Erbrochenes eines Wals – der Klumpen ist eine Million Euro wert.

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Herz- und Blutkreislauf

Die Delfine haben ein vierkammeriges Säugetierherz. Dieses funktioniert ähnlich wie das Herz bei Landsäugetieren. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Delfine beim Jagen unter Wasser manchmal Herzrhythmusstörungen aufweisen. Mehr dazu unter Herzschlag bei Delfinen.

Das Herz der Delfine schlägt beim Tieftauchen vier- bis sechsmal pro Minute. An der Wasseroberfläche ist die Herzfrequenz rund zehnmal höher.

Wie ich von Günther Behrmannerfahren habe, verfügen Wale über zwei- bis dreimal mehr Blut pro Einheit Körpergewicht als der Mensch. Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sind bei allen Walen auffällig groß. Sie können viel Sauerstoff transportieren, der bei ruhigem Verhalten im Myoglobin zwischen den Muskeln gespeichert wird. Hier kann er dann bei Bedarf abgezogen werden. Durch die verstärkte Einlagerung von Myoglobin erhält das Walfleisch seine dunkelrote Farbe. (Siehe auch „Die Atmungsorgane der Delfine“)

Herz und Niere (hinten) eines Delfins

Lunge

Die Lunge aller Säugetiere hat zwei Flügel. So auch die der Wale. Ein beträchtlicher Unterschied zu anderen Säugetieren besteht bei Walen allerdings darin, dass deren Lungen ungelappt sind – genauso wie die Lungen der Reptilien. Zellbiologisch gesehen ist die Wallunge aber eine Säugerlunge.

Wundernetze

Laut Günther Behrmann wurden bei allen Walen Wundernetze (Rete mirabilia) nachgewiesen. „Sie dienen der Abkühlung des arteriellen Blutes, denn Schweißdrüsen zur Regulierung der Körpertemperatur besitzen Wale nicht. Erhöhte Bluttemperaturen sind aber für das Hirn und für die Geschlechtsorgane schädlich. In den Wundernetzen verschlingen sich Arterien und Venen. In diesen Venen strömt das in der Haut abgekühlte Blut. Die Wundernetze funktionieren nun wie Wärmetauscher, in denen durch das kalte venöse Blut das warme arterielle Blut gekühlt wird. Innerhalb des Brustkorbs, oberhalb der Lunge, liegt das größte Wundernetzsystem der Wale. Es umkleidet außerdem das Rückenmark und den Richtung Rückenmark liegenden Hirnbereich. Andere Wundernetze befinden sich im Bereich der Geschlechtsorgane (Hodensack) und unterhalb der Schädelbasis.“ (Siehe auch „Die Atmungsorgane der Delfine“)

Wasserabgabe

Da der Delfin – wie bereits oben erwähnt – keine Schweißdrüsen hat (der Schweiß würde übrigens im Wasser auch nicht verdampfen), scheidet er das Salz im übermäßig produzierten Urin aus. Seine verhältnismäßig große Niere zeigt eine Aufteilung in viele kleine Läppchen, in denen die Ausscheidung des Wassers erfolgt. Durch diese Vergrößerung der Rindensubstanz wird eine hohe Wasserabgabe ermöglicht.

3 Kommentare

  1. Fehler im Text:
    "Sie schlucken ihre Beute mit dem Kopf voran, damit sie nicht an den Flossen ersticken."

    Da bei Delfinen und Walen keine Verbindung zwischen Luftröhre und Schlund besteht, können sie auch nicht ersticken, wenn das Schlucken mal länger dauert. Selbst wenn der Schlund über Stunden blockiert ist, mag das zwar lästig sein, aber lebensbedrohlich ist das erst einmal nicht.

    Dass sie Fische trotzdem konsequent mit dem Kopf voran schlucken, liegt schlicht an den nach hinten gerichteten Schuppen. Mit dem Schwanz voran rutscht so ein Fisch einfach nicht und wird schließlich wieder ausgewürgt.

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    Was die Nieren angeht, gleichen diese funktional am Ehesten denen von Kamelen, da Delfine einen sehr sparsamen Wasserhaushalt haben. Mit Meerwasser würden sie verdursten und können daher Flüssigkeiten auch nicht schlucken. Der Salzgehalt ist mit ca. 3% so hoch, dass eine Resorption im Darm unmöglich ist, daher können sie ihren Wasserbedarf praktisch nur aus der Verstoffwechselung des Futters decken. Damit dies ausreicht, ist der Urin sehr hoch konzentriert.

    Dies führt leider auch dazu, dass ältere Delfine in freier Wildbahn sehr häufig an Nierensteinen und Bluthochdruck leiden. In menschlicher Obhut behandelt man dies ganz einfach, indem man ihnen bei Bedarf durch einen Schlauch Süßwasser in den Magen pumpt. Wie man sich bei Moby (TG Nürnberg) überzeugen kann, wissen ältere Delfine diese Behandlung durchaus zu schätzen. Da sie auch keinen Würgereflex besitzen, scheint ihnen der Schlauch auch nicht unangenehm zu sein.

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    Thema Wundernetze:
    Das Wundernetz im Brustraum dient nach aktueller Forschung dazu, beim Tauchen in größere Tiefen ein Kollabieren des Brustraumes zu verhindern, indem das von der kollabierten Lunge freigegebene Volumen mit Blut aufgefüllt und damit das Zusammenfallen der Lunge beschleunigt wird. Es wird vermutet, dass dies – neben den verknorpelten Bronchien und der "glatten" Lunge einer der Mechanismen ist, mit denen die Tiere die Stickstoffaufsättigung des Gewebes bei größeren Tauchtiefen – und damit die Dekompressions-Krankheit – verhindern.

    Im Übrigen ist dies auch bei trainierten Freitauchern der Gattung Homo Sapiens recht ähnlich, wobei diese durchaus noch Probleme mit Gasblasen in Gewebe und Blut haben, wenn sie nach Rekorden tauchen – Allerdings sind beim Mensch die Bronchien auch nicht verknorpelt, so dass wohl auch unter hohem Druck noch ein Gasaustausch in der Lunge stattfindet – wodurch auch Apnoe-Taucher für Dekompressionserkrankungen anfällig sind.
    Beim Mensch fehlen also gleich mehrere Vorkehrungen, welche die Evolution den Delfinen hat angedeihen lassen.

    geschrieben von Norbert
    1. Danke, Norbert, dass du so gewissenhaft mitliest :o)) Habe die entsprechende Textpassage gelöscht.

      geschrieben von Susanne
      1. Habe gerade mit dem Wal-Experten Günther Behrmann kommuniziert. Ein Ersticken an Nahrung ist bei Waltieren doch möglich …

        Sein Kommentar: "Wenn ein zu großer Fisch zwischen der Kehlkopftube und der Wand des Kehlkopfes stecken bleibt, können die Wale die Kehlkopftube nicht mehr öffnen." Somit gelangt keine Atemluft mehr in die Lungen …

        geschrieben von Susanne

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