Meeresakrobaten, 24. September 2025
Die Sichtweise von Walen
Neugierig habe ich mich an die Lektüre von Fabian Ritters aktuellem Buch „Wir Wale“ gemacht.
„Wie sieht wohl die Sichtweise von Walen auf uns Menschen aus?“, habe ich mich gefragt. Schließlich lautet der Untertitel „Die Welt der Meeressäuger durch ihre Augen: Wie sie leben, lieben, lernen“.
Sehr schöne Gestaltung
Für alle, die ihre Wal-Bibliothek mit einem hochwertig gestalteten Buch ergänzen wollen, kann ich „Wir Wale“ wärmstens empfehlen. Allein das Gewicht – fast 800 Gramm – und der Umfang – knapp 400 Seiten – zeigen, dass man den Band nicht mal eben so kurz durchblättern kann.
Der Text wird durch viele Fotos (die meisten stammen vom Autor selbst) aufgelockert. Durch das gesamte Buch zieht sich die Entwicklungsgeschichte eines 200-jährigen Grönlandwals. Dieser Exkurs setzt sich durch die blaue Schrift gut vom eigentlichen Inhalt ab.
Zu allen beschriebenen Walen und Delfinen gibt es Zeichnungen und Erklärungen.
Vier übergeordnete Kapitel sind mit „Körper“, „Geist“, „Seele“ und „Wir Wale und ihr Menschen“ überschrieben.
Was mir sonst noch gefällt
*** Fabian Ritter hat eine humorvolle Ader, die immer wieder aufscheint. Gleich am Anfang – auf Seite 29 – gibt es dafür ein nettes Beispiel: „Schwerkraft spielt für uns keine Rolle. Sie zieht uns nicht in die Tiefe. … Sollten wir also von Leichtkraft sprechen?“
*** Ein ca. 60-seitiger Anhang ergänzt das Wissen über die Meeressäuger mit Anmerkungen zu den Quellenangaben und einem ausführlichen Glossar.
*** Ich finde es gut, dass der Autor vom Ersticken und nicht vom Ertrinken spricht, wenn Delfine in Netze gelangen und sich daraus nicht mehr befreien können. Er schreibt auf Seite 275: „Ihr werdet in unseren Lungen allerdings kein Wasser finden. Wir ertrinken nicht in den Netzen, wir ersticken. Niemals würden wir unter Wasser unsere Blaslöcher öffnen. Niemals, bis in den Tod nicht.“ In den meisten Veröffentlichungen über die Meeressäuger wird behauptet, sie würden ertrinken.
*** Fabian Ritter macht dem Leser außerdem bewusst, dass durch die Fischerei mehr Wale und Delfine ums Leben kommen als zu den Hochzeiten des Walfangs. (S. 278)
Was mir nicht so gut gefällt
*** Der Autor beschreibt letztendlich die Eigenschaften und Verhaltensweisen der Meeressäuger nicht aus Sicht der Protagonisten, sondern aus Sicht ihrer Beobachter.
*** Für mein Empfinden haftet den Formulierungen manchmal zu viel Pathos an. Die Tiere werden zu vermenschlicht dargestellt. Das weckt in mir keine Emotionen, sondern das Gefühl einer gekünstelt wirkenden Nähe.
Allerdings gibt der Autor im Nachwort (Seite 319) selbst zu bedenken, dass es vermessen ist, zu versuchen, mit der Stimme der Wale zu sprechen. Er rechnet damit, dass er des Anthropomorphismus bezichtigt wird.
Beispiele für eine zu sehr an menschliche Empfindungen adaptierte Erzählweise:
Seite 95: Die Delfine sprechen von „Glibberdingern“ (gemeint sind Oktopusse), die „echt lecker schmecken“.
Seite 183: Den Buckelwalen bereitet es „ein gutes Gefühl, ein Leben gerettet zu haben“. Auch Orcas zeigen offenbar „Erbarmen“, wenn sie ihrem Opfer „das Leben schenken“. „Mitgefühl kann hierbei eine wesentliche Rolle spielen.“
Auf S. 288 spricht der Grindwal: „Prinzipiell haben wir gegen die Jagd nicht einmal etwas einzuwenden.“
*** Auch das Gendern nervt mich etwas: „die Walin und die Delfinin“ statt die Wal- oder Delfinkuh bzw. das Wal- oder Delfin-Weibchen.
*** Im Kapitel „Wir Eingesperrten“, S. 255 ff., wird mit keinem Wort erwähnt, dass es in westeuropäischen Delfinarien schon seit Jahrzehnten keine aus der Natur entnommenen Delfine mehr gibt. Die meisten Großen Tümmler sind in Delfinarien geboren.
*** Es wird behauptet, das Wasser in Delfinarien würde schlecht schmecken und in den Augen brennen. In Nürnberg und Duisburg wird kein Chlor verwendet.
*** Außerdem schreibt Fabian Fischer, dass Delfine freiwillig keinen toten Fisch zu sich nehmen würden. Doch es gibt viele Beispiele von wild lebenden Meeressäugern, die tote Fische von Angeln pflücken oder aus Netzen zerren. Auch in Australien – unter anderem in Monkey Mia – lassen sich die Großen Tümmler gerne von Menschen mit totem Fisch füttern. Genau wie der Mensch wählen sie den einfachsten Weg, um an etwas Begehrenswertes (hier ihre Beute) zu gelangen.
Fazit
Ein interessantes Buch mit hervorragender Ausstattung. Außer einigen für mein Empfinden etwas zu pathetisch abgefassten Stellen, gefällt mir „Wir Wale“ auch inhaltlich gut. Der Leser erhält viele Informationen über die Meeressäuger.
Daten zum Buch
Fabian Ritter
Wir Wale
Die Welt der Meeressäuger durch ihre Augen: Wie sie leben, lieben, lernen
Verlag: Penguin, München 2025, 396 S.
ISBN: 9783328602965 | Preis: 29,00 €