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„Rote Karte“ für DIE GRÜNEN


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Meeresakrobaten, 15. März 2013

Bündnis 90/Die Grünen haben im Bundestag einen Antrag zum Ende der Delfinhaltung in Deutschland eingereicht.

Delfine unter Wasser (Foto: Susanne Gugeler)

Delfine unter Wasser (Foto: Susanne Gugeler)

Die Pressemitteilung dazu wurde von Beate Walter-Rosenheimer, Obfrau im Wirtschaftsausschuss, verfasst. Nachdem diese Mitteilung kurz nach ihrem Erscheinen am 27. Februar 2013 überraschenderweise wieder offline gestellt wurde, kann man sie seit dem 13. März 2013 erneut abrufen. Frau Beate Walter-Rosenheimer erklärt darin:

„Wir wollen, dass die Haltung von Delfinen nicht länger möglich ist – denn eine artgerechte Haltung ist in Deutschland derzeit nicht gewährleistet. Die momentane Situation fügt den Tieren vermeidbare Schmerzen, Leiden und Schäden zu.“

Kritik der MEERESAKROBATEN (MA): Frau Walter-Rosenheimer konkretisiert nicht, was sie unter vermeidbare Schmerzen, Leiden und Schäden versteht. Weiter lässt sie völlig außer Acht, dass sich die beiden deutschen Delfinarien an sämtliche tierschutzrechtliche Vorgaben halten und diese sogar bei weitem übertreffen.

Pressemitteilung von Frau Walter-Rosenheimer: Die Grünen beziehen sich auf eine wissenschaftliche Stellungnahme von Dr. Christian Schulze von der Ruhr-Universität Bochum, die für das Wal- und Delfinschutz-Forum erstellt wurde.

Kritik der MA: Frau Walter-Rosenheimer nennt als einzige und ausschließliche Informationsquelle, auf die der Antrag der Grünen aufbaut, eine aus dem Jahr 2010 stammende angebliche „wissenschaftliche Stellungnahme“ des Wal- und Delfinschutz-Forum(WDSF)-Unterstützers Dr. Christian Schulze.

Wer des Lesens kundig ist, wird schnell feststellen, dass es sich bei Schulzes Beitrag lediglich um eine Arbeit handelt, bei der ein fachlicher Laie eine auf fehlerhaften Annahmen basierende Einzelmeinung niedergeschrieben hat.

Im "Blauen Salon", Nürnberg (Foto: Rüdiger Hengl)

Im „Blauen Salon“, Nürnberg (Foto: Rüdiger Hengl)

Diese Stellungnahme von Privatdozent und „WDSF-Kurator“ Dr. Christian Schulze wurde am 8. April 2010 unterzeichnet. Also vor fast drei Jahren! Zu diesem Zeitpunkt war die Delfin-Lagune in Nürnberg noch gar nicht fertig gebaut und die Tiere demzufolge auch nicht in das neue und optimierte Habitat umgezogen. Trotzdem bezieht sich Frau Walter-Rosenheimer auf diese (veraltete) Meinungsäußerung …

Das WDSF ist bekannt als Ein-Mann-Organisation unter dem Vorsitz von Jürgen Ortmüller aus Hagen. Das Ziel der Organisation ist es, die beiden Delfinarien in Nürnberg und Duisburg zu schließen. Dementsprechend einseitig fällt selbstverständlich die Stellungnahme des „vorbelasteten“ Herrn Schulze aus.

Schulze behauptet, dass Große Tümmler bis zu 200-300 m tief tauchen, Geschwindigkeiten von 50 km/h (und mehr) erreichen und oft große Tagesstrecken zurücklegen würden. Auch auf diesen Zug springt Frau Walter-Rosenheimer auf, indem sie schreibt …

Pressemitteilung von Frau Walter-Rosenheimer: Demnach reichen die bisher im Säugetiergutachten vorgegebenen Größenanforderungen nicht aus, um die ökologischen und verhaltensbiologischen Charakteristika der Delfine zu ermöglichen. Es stehen keine Strecken zur Verfügung, die eine hinreichend lange Bewegung in Maximalgeschwindigkeit oder gar ihr Erreichen ermöglichen, Außerdem können die natürliche Tauchtiefe und Distanzwanderungen nicht im Ansatz simuliert werden.

Beate Walter-Rosenheimer betont: „Für eine artgerechte Haltung müssten mindestens Bahnenlängen von rund 850 bis 900 Meter vorgeschrieben werden. Außerdem tauchen die Tiere in freier Wildbahn bis zu 300 Meter tief. Becken mit einer Tiefe von nicht einmal 10 Metern sind demgegenüber ein Witz – ein Witz auf Kosten der Tiere.“

Kritik der MA: Weder Herr Schulze noch Frau Walter-Rosenheimer unterscheiden in ihrem Statement zwischen küstennah und küstenfern lebenden Delfin-Populationen. So sind beispielsweise die Großen Tümmler im Golfo Aranci/Sardinien und in der Sarasota Bay/Florida ortstreue Tiere, die keinerlei Distanzwanderungen erkennen lassen.

Auch tauchen diese Tiere keinesfalls 300 Meter tief, sondern in einigen Regionen nur 3 Meter! Das ist u.a. der Grund dafür, dass die Delfine in der Sarasota Bay so oft von den Propellern der Motorboote verletzt werden, da sie nicht in genügend große Tiefen abtauchen können. Siehe dazu auch meine Beiträge Die Delfine von der Sarasota-Bucht und Bier und Würstchen wurden einem Delfin zum Verhängnis.

Delfin hinter der Panoramascheibe (Foto: Susanne Gugeler)

Delfin hinter der Panoramascheibe (Foto: Susanne Gugeler)

Bei den in Nürnberg und Duisburg gehaltenen Delfinen handelt es sich um küstennah lebende Große Tümmler. Außerdem sind zwei Drittel des Bestands mittlerweile Nachzuchten …

Wann erreichen Große Tümmler im offenen Meer jemals 50 km/h? Wenn sie flüchten oder auf der Jagd sind. Und genau das fällt in Zoos – wie übrigens bei allen in Tiergärten gehaltenen Spezies – weg.

Sonst müsste auch den Geparden ein riesiges Areal zur Verfügung gestellt werden, denn die Landraubtiere erreichen auf der Jagd immerhin über 100 Stundenkilometer! Oder sehen wir uns den Wolf in freier Wildbahn an: Er legt am Tag 70 km zurück, um an Nahrung zu kommen. Sein Revier beträgt ungefähr die Größe von München.

Pressemitteilung von Frau Walter-Rosenheimer: Ralph Hoffmann, Kreisvorsitzender der Nürnberger Grünen, sieht dadurch den Kurs der lokalen Tierschützer bestätigt: „Die Delfinlagune in Nürnberg ist nicht mehr und nicht weniger als Unterhaltung für die Zoogäste – mit artgerechter Haltung hat die Anlage rein gar nichts zu tun.

Das natürliche soziale Verhalten von Delfinen ist in Zoos nicht möglich. Sie leben in Gefangenschaft unter sozialem Dauerstress und pharmazeutischer Ruhigstellung. Das wollen wir nicht länger hinnehmen. Wir hoffen deshalb im Sinne des Tierschutzes, dass der grüne Antrag im Bundestag durchkommt.“

Kritik der MA: Wie kommt Ralph Hoffmann darauf, dass die Großen Tümmler in Nürnberg unter Dauerstress litten? Der Tiergarten Nürnberg schreibt über seine Tiere: „Die Nürnberger Großen Tümmler werden im Rahmen einer Doktorarbeit untersucht. In einem Zeitraum von über drei Jahren wird das eventuelle Auftreten von Stresshormonen in unterschiedlichsten Situationen und Rahmenbedingungen analysiert. Laut erster Ergebnisse zeigt sich, dass die Tiere auf einem absolut entspannten Niveau leben.“

Ach übrigens: Laut Schulze gehören in Zoos nur kleine (!) Tierarten (Mäuse?) und solche, die in Terrarien gehalten werden können, wie zum Beispiel Schlangen. Wenn die Grünen schon sein Statement gegen die Delfinhaltung verwenden, müssten sie konsequenterweise auch gegen die gesamte Zootierhaltung sein. Ob das aber so viele Wählerstimmen bringt?

8 Kommentare

  1. Für Frank Börner, SPD-Landtagsabgeordneter aus Duisburg, gehören "Zoo und Delfinarium zusammen. Ich empfehle allen Kritikern, sich vor Ort selbst einen Eindruck zu verschaffen und sich die notwendigen Informationen von Zooexperten einzuholen."
    Dieser Sichtweise kann ich mich nur anschließen!!!!!! http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburghttp://www.derwesten.de/staedte/duisburg/delfinar

    geschrieben von Susanne
  2. @Nadja: Nein, die Diskussion über die Haltung von Delfinen in menschlicher Obhut erübrigt sich keinesfalls, zumal Taiji absolut nichts mit den deutschen Delfinarien zu tun hat. Siehe dazu auch die Stellungnahmen von Duisburg und Nürnberg sowie die Meeresakrobaten-Beiträge unter http://www.meeresakrobaten.de/delfine/kritisches/

    geschrieben von Susanne
  3. Alle die hier sich auch nur zum Thema ansich äußern bitte ich recht herzlich die Dokumentatiion The Cove/Die Bucht anzuschauen. Danach erübrigt sich jedwede Diskussion über die Haltung von Delphinen und Walen in Aquarien.

    geschrieben von Nadja
  4. @ Shalina Kimpling: "Psychiatrieknast" klingt zwar spektakulär, dieses Wort zerplatzt jedoch wie eine Luftblase, wenn man versucht, seinen Inhalt in Bezug auf die Nürnberger Delfin-Lagune zu ergründen … Sie sagen, die Lagune gehört s o f o r t geschlossen. Wo sollen Ihrer Meinung nach die Großen Tümmler unterkommen???? Sie würden also auch dem Senior Moby (53 Jahre alt) einen stressigen Transport (eine Transportkiste stelle ich mir als "Knast" vor, welcher der Psyche eines alten Tieres schadet) in eine Einrichtung im Ausland zumuten wollen. Ist das Tierschutz à la Grüne???

    geschrieben von Susanne
  5. Eine artgerechet Delfinhaltung ist nicht möglich. Das Delfinarium im Nürnberger Zoo ist eine Art Psychiatrieknast für Delfine. Die Lagune gehört sofort geschlossen! Shalina Carla Kimpling, Diplom-Sozialpädagogin, ehemaliges Mitglied der Delfinbefreier Nürnberg, Mitglied Bündnis 90/Die Grünen

    geschrieben von Shalina Kimpling
    1. Das ist eine Behauptung und eine schwere Anschuldigung, die Sie ohne jede Begründung und bar jeder Fakten in den Raum stellen.
      Daher kann man eine solche Behauptung in keiner Weise ernst nehmen. Aber das sollten Sie als "Diplom-Sozialpädagogin" selber wissen.

      geschrieben von Norbert
  6. Bündnis 90/Die Grünen kennen sich mit Wahlen ja ganz gut aus, aber beim Thema Wale sollten doch lieber Experten zu Wort kommen!
    Da mache ich mein "Kreuzchen" doch lieber bei den berechtigten Kritikpunkten der MA!
    Oder hat sich Frau Walter-Rosenheimer mal Gedanken gemacht, was mit den Delfinen geschehen soll, wenn die Delfinarien zur Schließung gezwungen würden? Wohl kaum, denn sonst hätte sie – bzw. Bündnis 90/Die Grünen – wahrscheinlich nicht so einen inkonsequenten Antrag eingereicht. Und um es mal in der "facebook-Sprache" zu sagen: "Rote Karte" für DIE GRÜNEN… "gefällt mir"!

    geschrieben von Frank Blache
  7. Verfügt ein Dr. Phil., der über die Geschichte der Humanmedizin promomiert hat, tatsächlich über das nötige Delfin-Fachwissen, um eine wissenschaftliche Stellungnahme zu diesem Thema abgeben zu können?

    Ist ein Mensch, der als Kuratoriumsmitglied einer Delfinarien-hassenden Organisation auftritt, überhaupt in der Lage, eine neutrale Stellungnahme abzugeben?

    Haben die Grünen das Wohl der Delfine im Auge oder treibt sie die Angst vor schwindenden Wählerstimmen?

    Für mich jedenfalls ist das Ganze äußerst fragwürdig. Ich hoffe sehr, dass Bundesregierung und Bundestag auf diesen „grün-gutmenschigen Schmarrn“ entsprechend richtig und zum Wohl der Delfine reagiert.

    geschrieben von Rüdiger

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