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PIRATEN fordern ein Verbot der Haltung von Delfinen


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MEERESAKROBATEN/11. Januar 2014

Die Fraktion der PIRATEN fordert vom Landtag Nordrhein-Westfalen „die Haltung von Delphinen in Nordrhein Westfälischen Zoos mit einer angemessenen Übergangsfrist zu verbieten“.

Piratenschiff vor Genua (Foto: Rüdiger Hengl)

Piratenschiff vor Genua
(Foto: Rüdiger Hengl)

Bevor ich mich den aus meiner Sicht hanebüchenen Argumenten der PIRATEN zuwende, möchte ich zunächst in Frage stellen, ob die PIRATEN überhaupt wissen, wo es in NRW Delfine gibt.

So heißt es in ihrem Antrag „Haltung von Delphinen in Nordrhein Westfälischen Zoos mit einer angemessenen Übergangsfrist zu verbieten“. Die PIRATEN sprechen hier also von mehreren Zoos. Es gibt aber nur in einem Zoo – und zwar im Duisburger Zoo – Delfine. Und zwar neun Große Tümmler und einen Amazonas-Flussdelfin.

Abstruse Behauptungen

Auch die anderen Behauptungen und Forderungen der PIRATEN zeugen meines Erachtens davon, dass die Fraktion keine Ahnung hat von den Tieren, die in Duisburg leben.

Zitat aus dem PIRATEN-Antrag:

„Längst ist jedoch wissenschaftlich belegt, dass die Tiere in diesen Anlagen leiden. Delphine können nicht artgerecht gehalten werden. Das vermeintliche Lächeln trügt, die intelligenten Tiere führen ein trostloses Leben, leiden an Verhaltensstörungen und sterben früh.“

Wie kommen die PIRATEN auf derartige abstruse Behauptungen und vor allem auf die Idee, dass die Delfine im Duisburger Zoo leiden? Und um diese Einrichtung geht es den PIRATEN ja offensichtlich, da – wie bereits weiter oben erwähnt – kein anderer Zoo in NRW Delfine hält.

Außerdem werfen die PIRATEN in ihrem Antrag dem Duisburger Zoo vor, dass dort schon Tiere gestorben seien. Es würde mich keinesfalls wundern, wenn die PIRATEN in einem nächsten Schritt vom Landtag fordern würden, dass ein Zoo ein sterbe-freier Raum zu sein habe, also quasi ein Paradies auf Erden! In einem Paradies wäre dann allerdings auch kein Platz für Piraten ;o))

Springende Große Tümmler  (Photo by Sarasota Dolphin Research Program, taken under National Marine Fisheries Service Scientific Research Permit)

Springende Große Tümmler
(Photo by Sarasota Dolphin Research Program, taken under National Marine Fisheries Service Scientific Research Permit)

Küsten- und Hochsee-Delfine

Auch eine andere Behauptung der PIRATEN ist unhaltbar:

„In freier Wildbahn leben diese Tiere in großen Familienverbänden. Die am häufigsten gehaltene Delphinart, der große Tümmler, schwimmt in freier Wildbahn im Durchschnitt täglich zwischen 60 und 100 km und taucht bis zu 500 m tief.“ (Zitat aus dem PIRATEN-Antrag)

Die PIRATEN kennen als „Freibeuter der Meere“ offenbar nur die Hochseeform und unterscheiden nicht zwischen Küsten- und Offshore-Delfinen.

Die gerade mal zwei Wildfänge, die vor mehreren Jahrzehnten (!) im Duisburger Zoo Einzug hielten, sind aber Küstenformen. Sie schwimmen also von Haus aus keine großen Strecken und tauchen maximal 34 Meter tief.

Die Küsten-Delfine sind ortstreu

Die Wissenschaftlerin L.G. Torres hat über 60 Populationen der Küstentümmler in Amerika untersucht und kein Exemplar ist in einen Abschnitt geschwommen, der tiefer als 34 m war. Auch legten die Delfine keine großen Strecken zurück, sondern blieben in einer bestimmten Region. Einige Gruppen wechseln zwischen Sommer- und Winterhabitat, wobei die nur einige Kilometer auseinander liegen und die Tiere immer entlang der Küste schwimmen. (Quelle: Diplom-Biologe Stefan Hintsche)

(Siehe zum Thema „ortstreue Delfine“ auch den MEERESAKROBATEN-Beitrag Die Delfine von der Sarasota-Bucht über die Küsten-Delfine Floridas.)

Fast nur Nachzuchten

Einmal abgesehen davon, dass Delfin-Kenner zwischen Küsten- und Hochsee-Delfinen zu unterscheiden wissen, muss man auch festhalten, dass es seit etwa 20 Jahren (!) in deutschen Zoos gar keine neuen Wildfänge mehr gibt. Die meisten Großen Tümmler, die in Deutschland (außer in Duisburg gibt es noch Große Tümmler im Tiergarten Nürnberg) gehalten werden, sind Nachzuchten, manche sogar in zweiter Generation. In Nordrhein-Westfalen sind von neun Großen Tümmlern sieben (!!!) in Duisburg geboren. In menschlicher Obhut aufgewachsene Tiere haben ganz andere Bedürfnisse als die Wildformen. Das gilt im Übrigen für alle Zoo- und Haustiere.

Die neugierigen Duisburger  (Foto: Rüdiger Hengl)

Die neugierigen Duisburger
(Foto: Rüdiger Hengl)

Schlecht beraten

Die PIRATEN fordern in ihrem Antrag ferner, bei den in NRW gehaltenen Delfinen eine Auswilderung in Erwägung zu ziehen.

So viel Unverstand hätte ich den PIRATEN gar nicht zugetraut. Die meisten der Delfine sind – wie bereits erwähnt – in Delfinarien geboren. Sie können gar nicht ins Meer entlassen werden. Und die Wildfänge sind inzwischen so alt, dass auch hier keine Auswilderung mehr in Frage kommt.

Von wem haben sich die PIRATEN denn hier wohl beraten lassen? Hoffentlich nicht von Captain Hook …

Die Unterzeichner des Antrags lassen jedenfalls nicht auf Delfin-Experten schließen:

Monika Pieper hat Sonderpädagogik studiert, Joachim Paul hat zum Thema „Exploration medizinischer Daten mit Hilfe von computersimulierten neuronalen Netzen am Beispiel der Thermoregulationsdiagnostik“ promoviert und Simone Brand ist gelernte Industriekauffrau und Diplompsychologin.

Schuster bleib bei deinen Leisten, kann ich da nur (pi)raten …

Herr Ortmüller vom WDSF/Hagen unterstützt die PIRATEN

Herr Ortmüller (Vorsitzender der Ein-Mann-Organisation WDSF/Hagen) unterstützt die PIRATEN und lässt sich medienwirksam mit Vertretern dieser Partei ablichten.

Die Formulierung der PIRATEN

„Delphinarien mit ihren Shows rangieren deshalb ganz oben auf der Hitliste der Ausflugsziele und sind ein Riesengeschäft.“

wird Herrn Ortmüller jedoch bestimmt nicht gefallen. Denn schließlich behauptet er immer wieder im sozialen Netzwerk, dass Delfinarien ein Auslaufmodell seien. Doch für seine Anti-Delfinarien-Kampagnen ist Herr Ortmüller offenbar auf diese Partei angewiesen.

Dass das Delfinarium in Duisburg – und um das geht es den PIRATEN ja – ein „Riesengeschäft“ sei, stimmt selbstverständlich nicht. Auch da gehen Ortmüller und die von ihm favorisierte Partei nicht konform. Schließlich fordert Herr Ortmüller ja in einem Artikel im Westen, dass der Zoo Duisburg abgewickelt werden sollte, da er nicht genügend Einnahmen hätte.

Das Ganze hat irgendwie einen (Piraten-)Haken …

5 Kommentare

  1. Andere Abgeordnete haben aber auch nicht mehr Ahnung als besagte Piraten. Und wer keine Ahnung hat, kann sich von Scheinargumenten bequatschen lassen. Also nicht nur dem Abgeordneten schreiben, sondern mit Fakten zuballern. Am besten von neutraler Seite wie hier, also weder bei „Tierschützern“ noch bei tierhaltenden Institutionen involviert.

    geschrieben von Dani
  2. ….ich finde es furchtbar Delfine ihrer Freiheit zu berauben. In Gefangenschaft sind diese Tiere ihrer Freiheit beraubt und nützen den Menschen überhaupt nichts. Schafft diese Situation endlich ab. Ich würde einiges dafür tun, aber was?…..

    geschrieben von Franz Baumann
    1. Es wurden bereits seit mehr als 20 Jahren keine Delfine mehr für die Delfinhaltung in der EG gefangen. Dass sich die Bestandszahlen dennoch knapp verdoppelt haben, liegt ausschließlich an der inzwischen überaus erfolgreichen Nachzucht und der hohen Lebenserwartung der Tiere in den EU-Delfinarien.
      Somit hat man Delfine nicht „ihrer Freiheit beraubt“, sondern die Tiere sind in menschlicher Obhut geboren und aufgewachsen.

      Zudem werden nur Delfin(unter-)arten gehalten, die auch in freier Wildbahn kleine, überschaubare Reviere bewohnen und kaum bis gar nicht wandern.

      geschrieben von Norbert
  3. Na dann: Zeit für Briefe an die Abgeordneten!

    geschrieben von Norbert
    1. Norbert, die sind doch schon alle weg! Ich habe keine Sorge.

      Der Umweltausschuss in NRW besteht aus 54 Mitgliedern (Namen und E-Mail-Adressen können bei mir angefragt werden).

      23 Mitglieder sind von der SPD, 18 von der CDU, 5 von den Grünen, und jeweils 4 von FDP und Piraten.

      Was wollen die 4 da ausrichten?

      geschrieben von Rüdiger

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