Berichte

Fragen an einen Delfin-Experten (3)


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Zwei Große Tümmler in der Delfin-Lagune
(Foto: Oliver Schmid)

Umzug in ein anderes Delfinarium

Oliver:
Manchmal werden Delfine ja aus unterschiedlichen Gründen – vor allem wohl zu Zuchtzwecken – in andere Delfinarien umgezogen. Hier würde mich zum einen interessieren, wie die Delfine mit dem damit verbundenen Stress umgehen. Zum einen der Umzug an sich, dann aber auch die Herausforderung, den Verlust der alten Grupppe zu überwinden und sich in eine neue Gruppe einzugliedern.

Mich würde auch interessieren, wie diese Auswahl erfolgt, welcher Delfin seinen Standort wechselt und in welches Delfinarium er kommt.

Es ist ja immer auch ein gewisses Risiko dabei, dass sich das Tier nicht mit der bestehenden Gruppe verträgt.

Wie kann man dieses Risiko minimieren? Ich stelle mir das ziemlich knifflig vor. Gibt es da so eine Art Datenbank, in der nicht nur genetische Merkmale und Verwandtschaftsverhältnisse gespeichert sind, sondern auch die individuellen Merkmale/Charakterzüge der Gruppe bzw. Einzeltiere, anhand denen Experten dann abschätzen können, ob eine geplante Veränderung der Gruppe erfolgversprechend ist?

So eine Entscheidung macht man sich ja sicher nicht leicht, denn das Schlechteste wäre ja, wenn man dann ein Tier nach einiger Zeit wieder aus der Gruppe nehmen muss, wenn die nicht harmoniert.

Wie läuft das in der Praxis? Oder sehe ich da zu viele Probleme und die Gruppen nehmen Neulinge in der Regel unproblematisch auf?

Benjamin:
Was den Tausch von Tieren angeht, so werden Transporte regelmäßig trainiert. Dann sind sie nicht allzu stressig. Allerdings ist es natürlich immer noch kein Vergnügen für die Tiere.

Was das Eingewöhnen angeht, geht es aber meist ziemlich schnell, damit haben Delfine überraschend wenig Probleme, vorausgesetzt, man hat nicht sehr stark miteinander verbundene Tiere getrennt.

Tail-Walking
(Foto: Oliver Schmid)

Deshalb gibt es ja auch das Zuchtbuch vor allem, um die genetische und soziale Kompatibilität der Tiere zu gewährleisten.

Man muss die Tiere schon persönlich kennen, deshalb entscheiden auch die Trainer und Tierärzte immer mit.

Normalerweise transportiert man immer mindestens zwei Delfine, die sich gut verstehen.

Die Trainer und Tierärzte schlagen Austauschaktionen vor aufgrund von sozialen Entwicklungen. Umzüge finden deshalb eigentlich nur aus sozialen Gründen statt, nicht direkt zu Zuchtzwecken. Der Zuchtbuchleiter sammelt dann die Wünsche der verschiedenen Einrichtungen und versucht, genetisch passende Gruppen zu finden, und so wiederum wird dann auch die Zucht gesteuert.

Wie viele Kilometer schwimmt ein Delfin?

Oliver:
Von Gegnern der Delfinhaltung wird oft behauptet, dass Delfine im Freiland viele Kilometer schwimmen, während sie dies im Delfinarium aufgrund des begrenzten Raums nicht machen würden.

Bei meinen Besuchen in Nürnberg hab ich aber festgestellt, dass die Tiere dort den Tag über auch sehr viel herumschwimmen. Da kommen sicher auch so einige Kilometer zusammen. Mich würde interessieren, ob man mal ermittelt hat, wie viele Kilometer Delfine im Delfinarium so zurücklegen. Gibt es da Zahlen?

Benjamin:
Zur Kilometerleistung weiß ich leider nichts, aber frag doch mal die Nürnberger beim nächsten Besuch.

Oliver
Werde ich machen – vielleicht weiß ja auch zufällig eine(r) der Leser(innen) etwas zu diesem Thema…? Dann dürft ihr dies gerne in die Kommentare schreiben!

Nami aus dem Nürnberger Tiergarten spielt mit Besucher Ball.
(Foto: Oliver Schmid)

Positive Bestärkung bei der Erziehung eines Kindes

Oliver:
Bei der nächsten Frage weiß ich nicht, ob du dazu was sagen kannst oder ob man da lieber einen Pädagogen fragen sollte.

Von Astrid Lindgren stammt das Zitat: „Man kann in die Tiere nichts hineinprügeln, aber man kann manches aus ihnen herausstreicheln.“ Dies ist eine poetische Formulierung für die positive Verstärkung, die ja heute unter Tiertrainern als die mit Abstand beste Methode angesehen wird, Tieren was beizubringen und das Vertrauen zwischen Mensch und Tier zu stärken.

Interessant finde ich, dass man das obige Zitat oft auch in leicht abgewandelter Form im Internet findet und lediglich das Wort „Tiere“ durch „Kinder“ ersetzt wurde.

Ich frage mich, warum unser Erziehungs- und Bildungssystem dennoch auf Belohnung und Bestrafung setzt, anstatt ebenfalls auf das System der positiven Verstärkung. Warum sollte das nicht auch bei uns Menschen funktionieren, erwünschtes Verhalten zu belohnen und unerwünschtes Verhalten zu ignorieren?

Benjamin:
Ich glaube, ich bin tatsächlich nicht der Richtige, um die Erziehung von Kindern zu beurteilen. Wir Menschen sind leider immer noch ein wenig anders verdrahtet im Kopf. Ich glaube, mit positiver Bestärkung allein kann man viel erreichen, allerdings müssen Menschen auch Grenzen gesetzt werden. Kinder erlauben sich sonst alles und bei potenziellen Gefahren braucht man mit positiver Bestärkung zu lange, um Kindern etwas beizubringen.

Oliver:
Auch hier gebe ich die Frage gerne an die Leserschaft weiter – vielen Dank jedenfalls für Deine Antworten, Benjamin!

MEERESAKROBATEN
Was die letzte Frage zur positiven Bestärkung bei Menschen angeht, habe ich vor Kurzem einen interessanten Artikel in der Augsburger Allgemeinen gelesen. Er war überschrieben mit „Kind mit Kernschmelze“ und handelte von autistischen Kindern. Dort wurde die ABA (Applied Behavior Analysis = angewandte Verhaltensanalyse) beschrieben. Diese Verhaltenstherapie wurde in den 1960er-Jahren in den USA entwickelt. Das Grundkonzept dabei ist, dass erwünschte Verhaltensweisen antrainiert und belohnt werden. Manche Experten lehnen diese Form der Erziehung jedoch als erzwungene Anpassung an die Norm ab. Denn die Verhaltensweisen, die erlernt würden, widersprächen der Natur des Kindes, zum Beispiel Blickkontakt zu haben oder Berührungen zuzulassen.

Lesetipps

* Fragen an einen Delfin-Experten (Teil 1)
* Fragen an einen Delfin-Experten (Teil 2)
* Biologen-Blog von Benjamin Schulz

5 Kommentare

  1. Vielen Dank für deine Ergänzungen, Norbert!

    geschrieben von Susanne
  2. Was die Augenstellung angeht: Delfine haben da einen recht guten Kompromiss gefunden: Sie haben sowohl einen recht großen Bereich, in dem sie Stereo-Sehen können und trotzdem einen fast 360° Beobachtungsbereich.

    Darin gleichen sie den meisten Raubvögeln (und Raubfischen!). Bei den Vögeln haben lediglich Eulen eine Augenstellung, die mit Primaten und bodenlebenden Raubtieren vergleichbar ist.

    Offensichtlich ist die seitliche Anordnung mit einem begrenzten 3D-Bereich optomal, wenn man sich frei im dreidimensionalen Raum bewegt.

    geschrieben von Norbert
    1. Vielleicht noch zur Ergänzung: Die menschliche Sicht (ca. 160° nach vorne) ist unter Wasser ziemlich unpraktisch und sicher nicht gut für dauerhaftes Überleben.

      Das merkt man spätestens beim Gerätetauchen: Ständig ist der Buddy weg, Irgendwas rumpelt gegen den Rücken, und beim Auftauchen hat man jede erdenkliche Chance mit dem Kopf gegen den Bootsrumpf (oder einen anderen Taucher) zu knallen.
      Dafür erfährt man nachher, das einem die ganze Zeit eine Schildkröte/Delfin (oder sonstwas spektakuläres) gefolgt ist, und man hat absolut nix davon mitbekommen.

      Nein, Menschen sind dafür gebaut, sich auf dem Boden oder in Bäumen zu bewegen :-)

      geschrieben von Norbert
      1. Ja, manchmal wär’s schon praktisch, wenn man auch „hinten“ Augen hätte… ;-)

        geschrieben von Oliver
      2. Naja, aber auch auf dem Boden, d.h. als Fußgänger im Straßenverkehr kriegt man da schon Probleme – und ich bin jeden Tag mindestens 4 Kilometer im Stadtverkehr zu Fuß unterwegs. Rundumsicht wäre da oft sehr hilfreich. So hab ich darauf umgestellt, mich midestens zu 50% auch mit dem Gehör zu orientieren.

        geschrieben von Dani

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