Berichte, Biologen-Blog

Maschinen oder bessere Menschen?


Themen: ,

Moby (weißer Fleck auf Kopf) in seiner Gruppe
(Foto: Oliver Schmid)

Sind Tiere Maschinen?

Trotzdem wollen wir uns mal genauer anschauen, ob Tiere wirklich Maschinen sind. Die wissenschaftliche Antwort darauf ist simpel: ja, sind sie. Aber nicht mehr oder weniger als es Menschen auch sind. Denn die maschinenhafte Funktion unserer Körper ist nicht von der Hand zu weisen.

Menschen und Tiere sind gleichermaßen biologische Maschinen. Der Herzschlag, die Atemfunktion, die Bewegung und Verdauung sind alles Prozesse, die von Physik und Chemie bestimmt werden. Die Abläufe der Motorik gleichen mechanischen Strukturen, die Physiologie unserer Körper wird bestimmt durch den Energiebedarf und –verbrauch. Unser Bauplan ist in unseren Zellen selbst abgespeichert.

Tiere als Maschinen zu bezeichnen, ist also durchaus technisch korrekt, wenn man Menschen darin mit einbezieht.

Was die Anhänger der menschlichen Überlegenheit in strikter Auslegung der „Krone der Schöpfung“-Bezeichnung in Wirklichkeit meinen, aber durch nachlässige Formulierung eben nicht richtig auszudrücken vermögen (die Krone sitzt wohl nicht immer ganz fest), ist die Programmierung, die Tiere als Maschinen antreibt.

Moby (Foto: Susanne Gugeler)

Festgelegtes Programme

Während Menschen hier durch Emotionen und Nachdenken ihre Wege selbst wählen können, ist jedes Muskelzucken eines Tieres dagegen völlig frei von Gefühl, Kreativität und vorbestimmt durch ein festgelegtes Programm. Sie folgen dem Instinkt, wie man so schön sagt.

Religiös ausgedrückt: Menschen haben eine Seele, Tiere nicht. Aber stimmt das so?

Die Annahme, Tiere seien völlig vom Instinkt beschränkt, gilt bereits seit Längerem als überholt. Und die Aussage, es seien bei Tieren weder Gefühle noch Intelligenz im Spiel, ist total daneben. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, warum die Wissenschaft an sich in diesen Kreisen schon verpönt ist: nimmt sie doch die letzte Illusion, dass unsere Gefühle etwas Einzigartiges sind und uns Menschen auszeichnen.

Gefühle sind Programmierungen

Fakt ist nun mal: Gefühle sind nichts weiter als Programmierungen. Genau diejenigen, die Tiere brauchen, um Futter zu finden, Schutz vor Feinden zu suchen, Partner zu wählen und den Nachwuchs aufzuziehen. Denn genau das ist der Sinn jeden Lebens. Deshalb ist Hunger ein so unerträgliches Gefühl, Angst so beherrschend und die Bindung zu den Kindern so stark. Und deshalb kann Liebe so flatterhaft sein und trotzdem süchtig machen. Weil es immer darum geht, das eigene Leben zu erhalten und neues zu erschaffen.

Im Blauen Salon
(Foto: Susanne Gugeler)

Den gleichen Programmierungen sind auch wir unterworfen. Worin wir Menschen uns tatsächlich von den Tieren unterscheiden, ist die Fähigkeit, Gefühle zu kontrollieren, zu unterdrücken oder uns durch sie sogar zu völlig zweckfremdem Verhalten verleiten zu lassen. Das ist die Freiheit des menschlichen Geistes. Sie erlaubt uns kreative Arbeit und Erfindungsgeist, aber leider auch die Gefühlskälte der heutigen Gesellschaft, fehlgeleitete Ängste und Hass bis hin zum globalen nuklearen Krieg.

Was ist intelligent?

Die Messbarkeit und Vergleichbarkeit von Intelligenz ist immer noch eine Herausforderung für die objektive Wissenschaft. Leider wird dieses Thema mehr zur Abgrenzung und Ausgrenzung genutzt als zur voranbringenden Erkenntnis, wie wir uns entwickeln konnten und wie wir unsere Fähigkeiten gut nutzen sollten. Zusätzlich wird der Begriff noch häufig zweckentfremdet, wenn er nur der Beurteilung der Nützlichkeit anderer Personen dient.

Man sollte weniger fragen, wer intelligent ist, sondern mehr, was intelligent ist. Und nun vereinfache ich das wirklich bis an eine wissenschaftliche Schmerzgrenze: Intelligenz ist die Fähigkeit, außerhalb der Rahmen unserer Programmierung auf äußere Einflüsse zu reagieren und sich besser anzupassen. Eine Fähigkeit, die also jedes Tier in Bezug auf seine Umwelt und darüber hinaus haben muss, um bei geänderten Umweltbedingungen oder auch nur lokalen oder zeitlichen Situationsänderungen überleben zu können.

Nürnberger Delfin-Lagune
(Foto: Oliver Schmid)

Wir sehen also, eine so klare Abgrenzung von uns Menschen zu den Tieren im Sinne einer überlegenen Entwicklung findet keine Berechtigung. Nicht in Bezug auf Gefühle, die alle Tiere haben genau wie Menschen auch und die unseren Mitbewohnern nicht abgesprochen werden dürfen, und ebenso wenig in Bezug auf Intelligenz.

Gefühle werden negiert

Leider erlebe ich immer wieder auch im Kreise von Kollegen, bei Biologen, Tierpflegern und Tierärzten, dass manche die Gefühle ihrer Schützlinge einfach negieren. Sicher ist es dann häufig einfacher, mit ihnen zu arbeiten, doch ethisch ist es nicht im Umgang mit Tieren, egal ob es sich um Labor-, Nutz-, Zoo- oder Haustiere handelt.

Größtenteils kann ich jedoch stolz sagen, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft objektiv sowohl Gefühle als auch Intelligenz und Kreativität bei Tieren immer mehr akzeptiert und erforscht und damit ja auch bereits den bedeutsamen Forschungsbereich des Tierwohls begründet hat. Denn nur wer weiß, wie und was Tiere fühlen und denken, kann ihre Bedürfnisse klar definieren und so dem Tierschutz wirksam helfen.

Eigentlich sollte dies auch den tierliebenden Menschen der zweiten Meinungsgruppe Freude bereiten. Doch das tut es nur eingeschränkt, weil auch hier die Sichtweise in die andere Richtung die Realität weit hinter sich lässt.

Seite 3: Der Knackpunkt ist die Vermenschlichung.

5 Kommentare

  1. Die mechanistische Betrachtung biologischer Systeme als „Maschinen“ trifft umso weniger zu, je höher die entsprechende Art entwickelt ist. Ich denke, das kann jeder bestätigen, der mal sowohl physikalische als auch biologische Experimente durchgeführt hat. In der Physik kann man auf viele Stellen hinter dem Komma vorausberechnen, wie sich eine Maschine verhalten wird. In der Biologie hingegen kann man schon bei einfachen Messungen (z.B. der Ableitung von Aktionspotenzialen) oft froh sein, wenn das Ergebnis auch nur annähernd em entspricht, was im Lehrbuch steht. Klar lassen sich bestimmte Vorhersagen treffen, die aber in ihrer Genauigkeit im Vergleich zu mechanischen Systemen doch sehr grob sind. Gerade bei höher entwockelten Arten, die im Sozialverband leben, gibt es zudem individuelle Charaktereigenschaften. Um beim Beispiel zu bleiben: Moby war ein sehr sozialverträgliches Tier und friedliches Tier, der dennoch seine Gruppe „im Griff hatte“. Andere Delfinmännchen sind viel forscher, aufdringlicher und aggressiver. Ich dene jeder Delfinpfleger könnte über jedes der ihm anvertrauten Tiere Romane über deren individuelle Eigenschaften, Stärken und auch deren „Macken“ erzählen. Klar, mein PC scheint manchmal auch so seine Macken zu haben und mitunter recht bockig zu sein, aber ich denke, das liegt nicht daran, dass er besonders „boshaft“ wäre, sondern einfach, weil die Programmierer eines häufig verwendeten Betriebssystems eben doch nicht ganz so sauber gearbeitet haben…

    Ich betrachte Tiere (insbesonders höher entwickelte Arten) deshalb als Lebewesen, die einfach auf einem anderen „Ast“ des „Baums der Evolution“ sitzen. Eine Vermenschlichung wäre – wie Benjamin ja auch schreibt – ebenso falsch wie Gemeinsamkeiten zwischen den Arten zu leugnen, da wir mit näher verwandten Arten natürlich gemeinsame Vorfahren haben; die „Wurzeln“ also identisch sind. Im Lauf der Jahrmillionen hat man sich eben unterschiedlich entwickelt. Das finde ich gerade das faszinierende: wir sind mit allem, was auf diesem Planeten lebt, in irgendeiner Art und Weise genetisch verwandt. Für mich erzeugt dieses Wissen so eine Art Verbundenheitsgefühl, ich sehe darin jedoch nichts Esoterisches. Ob eine Art „besser“ oder „schlechter“ ist, hängt von der Disziplin an. So hat selbst der intelligenteste Delfin größte Schwierigkeiten, zwei zweistellige Zahlen zu addieren. Da macht uns Vertretern des Homo sapiens keine andere Art was vor. Wenn’s hingegen ums Schwimmen geht, wirkt selbst ein Olympiasieger wie Michael Phelps gegen einen Delfin wie eine lahme Schnecke.

    Ich vermisse Moby auch, denke aber, dass er ein angenehmes Leben hatte. Auch wenn uns Delfine nicht sagen können, was sie empfinden, gibt die Analyse ihres Hormonhaushalts doch Hinweise auf ihre Stimmungslage. Wenn statt Cortisol („Stresshormon“) vermehrt Serotonin („Glückshormon“) findet, kann man schon davon ausgehen, dass es den Tieren wohl nicht allzu schlecht geht. Zudem zeigt ja auch das Verhalten dem Kenner recht gut an, wie die Delfine so drauf sind.

    geschrieben von Oliver
    1. Danke Oliver für die tollen Ergänzungen! Deine Metapher mit dem Baum der Evolution finde ich klasse, da muss man nur nach draussen schauen und wenn man dort mehrere Vögel unterschiedlicher Arten auf einem Baum sitzen sieht, wie jeder sein eigenes Leben, aber doch in Verbindung mit den anderen dort lebt, dann erkennt man wie gut diese Beschreibung auch einige Grössenordnungen mehr immer noch zutreffend ist. Bei mir zuhause hab ich da immer ein tolles Bild, unten im Boden wühlen die Amseln, am Stamm klettern die Spechte, in den unteren ästen tummeln sich Meisen und Finken, in der Mitte sitzt ein Taubenpaar zusammen und oben machen die Krähen Krawall. Die Natur ist eine Einheit der Vielfalt. Ich glaube, der Begriff trifft es am besten.

      geschrieben von Benjamin
      1. Hallo Benjamin,
        ich habe zu Hause ein tolles Evolutions-Poster, das ich mir immer stundenlang anschauen könnte. Es macht Spaß, bei zwei Klassen bzw. Ordnungen des Tier- und Pflanzenreichs zu beginnen und dann die Äste am Baum zurückzuverfolgen, bis man auf die Stelle trifft, als sich beide Gruppen getrennt haben.
        https://www.kinderpostershop.de/Evolution-der-Pflanzen-und-Tiere

        geschrieben von Oliver
  2. Mir hat dieser Eintrag sehr gut gefallen. Als jemand der von vielen Tieren fasziniert ist, von den „bösen“ (Haie, Schlangen etc) und den „lieben“ gleichermaßen kenne ich den Konflikt Tiere einerseits nicht zu vermenschlichen und andererseits den Gedanken im Hinterkopf zu behalten dass wir Tiere -trotz der Fortschritte, die wir gemacht haben –
    vielleicht immer noch unterschätzen. Vor allem der Abschnitt mit der Intelligenz hat den Nagel auf den Kopf
    getroffen. Nicht wer ist intelligent sondern was, ganz genau so sehe ich das auch. Genauso mit dem Abschnitt
    über Gefühle.

    geschrieben von Marisa Barkhoff
    1. Vielen Dank für deinen Kommentar, Marisa! Ich sehe die Fragestellung „Wer oder was ist intelligent?“ ganz ähnlich wie du. Außerdem ist es wichtig, den Tieren ihre Individualität nicht abzusprechen. Die einen reagieren so, die anderen so …

      geschrieben von Susanne

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert