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Maschinen oder bessere Menschen?


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Moby
(Foto: Susanne Gugeler)

Moby

Und nun – wie versprochen – möchte ich noch ein paar Worte zu Moby schreiben. Sein Tod nach einem langen Leben in menschlicher Obhut hat leider auch wieder einigen als Anlass gedient, unsinnige und lebensfeindliche Kommentare in den sozialen Netzwerken zu hinterlassen.

Zuerst einmal kam natürlich von einigen der Standardsatz „Jetzt schwimmt er endlich in Freiheit“. Nicht immer war es die exakt selbe Wortwahl, aber immer in der Grundbedeutung identisch.

Dieser Satz, der zur Phrasenfamilie der sowieso unsäglichen „Besser tot als …“-Sprüche gehört, verkörpert gleichzeitig das massive Missverständnis tierischer Gefühlswelten sowie die Arroganz einzelner, für andere zu entscheiden, dass der Tod erwünscht bzw. einer Erlösung gleichkäme.

Egal, ob sich das auf Menschen oder Tiere bezieht, beurteilen kann das immer nur derjenige selbst. Menschen können diese Gedanken anderen mitteilen, bei Tieren bleibt uns nur die Möglichkeit, durch Beobachtung einer Selbsttötung den Wunsch der Lebensbeendigung zu beweisen. Das ist – trotz anders lautender Berichte einiger Tierrechtler – bei Delfinen nicht geschehen.

Großer Tümmler im Nürnberger Tiergarten
(Foto: Susanne Gugeler)

Delfin ist nicht gleich Delfin

Und selbst in dem Fall, dass man diesen Berichten Glauben schenkt, heißt das ja auf keinen Fall, dass alle Delfine so denken und handeln würden. Im Gegenteil, wenn man die Selbsttötung als Beweis für eine bewusste Entscheidung gegen das Leben betrachtet, muss man im Umkehrschluss auch akzeptieren, dass ein langes Leben in einem Delfinarium sich auf eine bewusste Entscheidung, dieses Leben zu leben, begründet.

Enges Verhältnis zu Weibchen und Pflegern

Moby hat es nun zu stolzen 58 Jahren gebracht. Seine Lebenszeit war nach Aussagen der Menschen, die ihn gut kannten, geprägt von einem sehr engen Verhältnis zu seinen Weibchen sowie zu seinen Pflegern. Ein sanfter Riese also, der im Laufe der Jahrzehnte mehrere Kinder zeugen konnte. Mittlerweile sind es selbst ausgewachsene Delfine.

Im „Blauen Salon“, Nürnberg (Foto: Rüdiger Hengl)

Durch seinen Sohn Noah sowie dessen Tochter Naomi war er dann auch schon Großvater geworden. Er tat also genau das, was ein freilebender Delfinmann tut: Er lebte und gab Leben weiter. Mit dem kleinen Unterschied, dass Moby sich dabei nie um Futtersuche kümmern musste und den Luxus wahrnehmen konnte, mit seinen Weibchen echte Bindungen einzugehen.

Dafür konnte er nie selbstständig unbekannte Gebiete erkunden. Was ihm letzten Endes wichtiger war, weiß nur Moby selbst. Das, was er hinterlassen hat, deutet jedoch auf ein langes und erfolgreiches Leben.

Moby, danke für 58 Jahre, in denen du so viele Menschen inspiriert und begeistert hast. Wir haben viel von dir gelernt.

5 Kommentare

  1. Die mechanistische Betrachtung biologischer Systeme als „Maschinen“ trifft umso weniger zu, je höher die entsprechende Art entwickelt ist. Ich denke, das kann jeder bestätigen, der mal sowohl physikalische als auch biologische Experimente durchgeführt hat. In der Physik kann man auf viele Stellen hinter dem Komma vorausberechnen, wie sich eine Maschine verhalten wird. In der Biologie hingegen kann man schon bei einfachen Messungen (z.B. der Ableitung von Aktionspotenzialen) oft froh sein, wenn das Ergebnis auch nur annähernd em entspricht, was im Lehrbuch steht. Klar lassen sich bestimmte Vorhersagen treffen, die aber in ihrer Genauigkeit im Vergleich zu mechanischen Systemen doch sehr grob sind. Gerade bei höher entwockelten Arten, die im Sozialverband leben, gibt es zudem individuelle Charaktereigenschaften. Um beim Beispiel zu bleiben: Moby war ein sehr sozialverträgliches Tier und friedliches Tier, der dennoch seine Gruppe „im Griff hatte“. Andere Delfinmännchen sind viel forscher, aufdringlicher und aggressiver. Ich dene jeder Delfinpfleger könnte über jedes der ihm anvertrauten Tiere Romane über deren individuelle Eigenschaften, Stärken und auch deren „Macken“ erzählen. Klar, mein PC scheint manchmal auch so seine Macken zu haben und mitunter recht bockig zu sein, aber ich denke, das liegt nicht daran, dass er besonders „boshaft“ wäre, sondern einfach, weil die Programmierer eines häufig verwendeten Betriebssystems eben doch nicht ganz so sauber gearbeitet haben…

    Ich betrachte Tiere (insbesonders höher entwickelte Arten) deshalb als Lebewesen, die einfach auf einem anderen „Ast“ des „Baums der Evolution“ sitzen. Eine Vermenschlichung wäre – wie Benjamin ja auch schreibt – ebenso falsch wie Gemeinsamkeiten zwischen den Arten zu leugnen, da wir mit näher verwandten Arten natürlich gemeinsame Vorfahren haben; die „Wurzeln“ also identisch sind. Im Lauf der Jahrmillionen hat man sich eben unterschiedlich entwickelt. Das finde ich gerade das faszinierende: wir sind mit allem, was auf diesem Planeten lebt, in irgendeiner Art und Weise genetisch verwandt. Für mich erzeugt dieses Wissen so eine Art Verbundenheitsgefühl, ich sehe darin jedoch nichts Esoterisches. Ob eine Art „besser“ oder „schlechter“ ist, hängt von der Disziplin an. So hat selbst der intelligenteste Delfin größte Schwierigkeiten, zwei zweistellige Zahlen zu addieren. Da macht uns Vertretern des Homo sapiens keine andere Art was vor. Wenn’s hingegen ums Schwimmen geht, wirkt selbst ein Olympiasieger wie Michael Phelps gegen einen Delfin wie eine lahme Schnecke.

    Ich vermisse Moby auch, denke aber, dass er ein angenehmes Leben hatte. Auch wenn uns Delfine nicht sagen können, was sie empfinden, gibt die Analyse ihres Hormonhaushalts doch Hinweise auf ihre Stimmungslage. Wenn statt Cortisol („Stresshormon“) vermehrt Serotonin („Glückshormon“) findet, kann man schon davon ausgehen, dass es den Tieren wohl nicht allzu schlecht geht. Zudem zeigt ja auch das Verhalten dem Kenner recht gut an, wie die Delfine so drauf sind.

    geschrieben von Oliver
    1. Danke Oliver für die tollen Ergänzungen! Deine Metapher mit dem Baum der Evolution finde ich klasse, da muss man nur nach draussen schauen und wenn man dort mehrere Vögel unterschiedlicher Arten auf einem Baum sitzen sieht, wie jeder sein eigenes Leben, aber doch in Verbindung mit den anderen dort lebt, dann erkennt man wie gut diese Beschreibung auch einige Grössenordnungen mehr immer noch zutreffend ist. Bei mir zuhause hab ich da immer ein tolles Bild, unten im Boden wühlen die Amseln, am Stamm klettern die Spechte, in den unteren ästen tummeln sich Meisen und Finken, in der Mitte sitzt ein Taubenpaar zusammen und oben machen die Krähen Krawall. Die Natur ist eine Einheit der Vielfalt. Ich glaube, der Begriff trifft es am besten.

      geschrieben von Benjamin
      1. Hallo Benjamin,
        ich habe zu Hause ein tolles Evolutions-Poster, das ich mir immer stundenlang anschauen könnte. Es macht Spaß, bei zwei Klassen bzw. Ordnungen des Tier- und Pflanzenreichs zu beginnen und dann die Äste am Baum zurückzuverfolgen, bis man auf die Stelle trifft, als sich beide Gruppen getrennt haben.
        https://www.kinderpostershop.de/Evolution-der-Pflanzen-und-Tiere

        geschrieben von Oliver
  2. Mir hat dieser Eintrag sehr gut gefallen. Als jemand der von vielen Tieren fasziniert ist, von den „bösen“ (Haie, Schlangen etc) und den „lieben“ gleichermaßen kenne ich den Konflikt Tiere einerseits nicht zu vermenschlichen und andererseits den Gedanken im Hinterkopf zu behalten dass wir Tiere -trotz der Fortschritte, die wir gemacht haben –
    vielleicht immer noch unterschätzen. Vor allem der Abschnitt mit der Intelligenz hat den Nagel auf den Kopf
    getroffen. Nicht wer ist intelligent sondern was, ganz genau so sehe ich das auch. Genauso mit dem Abschnitt
    über Gefühle.

    geschrieben von Marisa Barkhoff
    1. Vielen Dank für deinen Kommentar, Marisa! Ich sehe die Fragestellung „Wer oder was ist intelligent?“ ganz ähnlich wie du. Außerdem ist es wichtig, den Tieren ihre Individualität nicht abzusprechen. Die einen reagieren so, die anderen so …

      geschrieben von Susanne

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