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Delfine und „die fünfte Freiheit“


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Biologen-Blog von Dr. rer. nat. Benjamin Schulz, Diplom-Biologe, Volontär, Zoo Dortmund, Teil 35
25. Oktober 2022

Delfine leben in Gruppen.
(Foto: Oliver Schmid)

Fünf Jahre sind vergangen

Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen. Um weiteren Nachwuchs zu verhindern, wurden alle weiblichen Tiere für ein Jahr auf eine hormonelle Verhütung eingestellt, die danach ihre Wirkung verlor und nicht wiederholt werden konnte.

Die Gruppe musste deshalb permanent getrennt werden. Seit Jahren leben die Geschlechter nun separiert voneinander in eigentlich zu kleinen Becken und wechseln sich tageweise im Hauptbecken bei den Vorführungen ab.

Gestresstes Tier

Es konnte immer noch kein Abnehmer für den Nachwuchs gefunden werden, auch nicht für das mittlerweile sechs Jahre alte Weibchen, das in den ersten zwei Jahren noch so schön mit unserem Protagonisten aufgewachsen ist.

Unser männliches Jungtier ist inzwischen fünf Jahre alt und ein Teenager. Er muss mit den beiden erwachsenen Männchen zusammenleben, welche sich sehr dominant und teils aggressiv ihm gegenüber verhalten. Erste veterinärmedizinische Untersuchungen unseres gestressten Teenagers zeigen bereits Magengeschwüre. Auch zeigt sich eine auf der Haut sichtbare großflächige Pilzinfektion.

Acht Jahre sind vergangen

Nach weiteren drei Jahren hat sich ein Abnehmer gefunden, allerdings nicht für unseren Protagonisten, sondern für das zwei Jahre jüngere Jungtier aus Inzucht, das ebenfalls ein Männchen ist und bis zum Schluss noch bei der Mutter blieb, weil die Haltung bei den drei anderen Männchen keine Option aufgrund anhaltender Spannungen war.

Großer Tümmler (Foto: Rüdiger Hengl)

Transport nach Fernost

Der Transport nach Fernost in einen neu gebauten Freizeitpark wird begleitet von Protesten. In Europa hatte sich kein akkreditierter Zoo gefunden, der dieses Tier aufnehmen konnte.

Sechs Wochen nach der Ankunft in der neuen Unterkunft stirbt das Tier. Nähere Informationen dazu werden nie bekannt gegeben, da die Kommunikation mit dem neuen Halter schon kurz nach dem Transport beendet war.

Medizinische Probleme verschlimmern sich

In der Zwischenzeit verschlimmern sich die medizinischen Probleme unseres Protagonisten. Vier Tage nach seinem achten Geburtstag stirbt er an akuter Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse), weiter diagnostiziert werden ein massiver Pilzbefall, mehrere Magengeschwüre sowie eine noch nicht näher identifizierte Viruserkrankung.

Nahezu zur selben Zeit stirbt auch das zweite, alte Männchen an Nierenversagen als Folge von Alterserscheinungen.

Schließung der Einrichtung

Die Gruppe – nun wieder 1,4 – könnte ab jetzt etwas ruhigere Zeiten erwarten. Doch die politische Unterstützung ist verloren und die Schließung folgt ein Jahr darauf.

Das letzte verbleibende Männchen wird aufgrund des hohen Alters und der sowieso schon stark vertretenen Genetik eingeschläfert, die Weibchen transferieren in ein dubioses Delfinarium im Mittleren Osten, wo man erst fünf Jahre später vom Tod von zweien in den Medien erfährt, ein weiteres Tier ist spurlos verschwunden, angeblich weiterverkauft, das letzte ist wahrscheinlich noch vor Ort, aber so genau kann das ja niemand wissen …

Benjamin zeigt auf der folgenden Seite in einem zweiten Szenario auf, wie verschiedene Zoos optimal kooperieren können.

2 Kommentare

  1. Ich möchte zu meinem Blogbeitrag noch anmerken, dass ich die Szenarien schon vor längerer Zeit als Konzept aufgeschrieben habe, lange bevor der kürzlich öffentlich gewordene Inzuchtfall im Zoo Duisburg bekannt geworden ist.
    Ich habe zunächst überlegt, ob ich diesen Beitrag noch veröffentlichen soll, mich aber letzten Endes dafür entschieden, da nun tatsächlich alle in meinem Szenario 1 beschriebenen Dinge irgendwo tatsächlich passiert sind und deutlich machen, wie wichtig eine funktionierende Kooperation für die Haltung von Delfinen ist. Im aktuellen Fall würde ich dem Zoo Duisburg nie einen Vorwurf machen, weil ich auch die Hintergründe der Zuchtbuchsituation in Europa kenne und die Folgen des einseitigen politischen Drucks in mehreren Ländern, wo Delfinarien aus ideologisch verklärten Gründen geschlossen worden sind, ohne einen Plan zu haben, was mit diesen Tieren geschieht und auch welche Konsequenzen es für die verbleibenden Zoos hat. Wie ich schon in einer niederländischen Zeitung geschrieben habe, werden als Konsequenz aus der planlosen Hetze gegen Delfinhaltungen irgendwann alle jetzt unter strengen Regeln gehaltenen europäischen Delfine an neue Halter in der weiten Welt verschachert, die sich gar nicht um Tierschutz, Erhaltungszucht und Bildungsarbeit scheren. Bisher hat keine der durch Aktivisten initiierten politischen Beschlüsse zur Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt, sondern nur dazu, dass Tiere aus kontrollierter Haltung entfernt werden mussten und nun nicht mehr greifbar sind für die Erhaltungszucht, das Tierwohl und die Forschung und führte gleichzeitig indirekt auch zu Problemen an anderen Orten wie nun auch hier in einem deutschen Zoo.

    geschrieben von Benjamin
    1. Vielen Dank für deine Ergänzung, Benjamin!

      Ich sehe es ähnlich wie du: Aktivisten, die im Namen des Tierschutzes agieren, ist überhaupt nicht bewusst, dass sie mit den Schließungsforderungen von seriös und wissenschaftlich betriebenen Delfinarien in keinster Weise zum Wohlbefinden der Tiere beitragen. Auch führen grenzwertige Aktionen (zum Beispiel das Springen in Delfinbecken, um gegen die Haltung zu protestieren) nicht dazu, dass ein einziger in freier Natur lebender Delfin, der immensen menschengemachten Gefahren ausgesetzt ist, besser geschützt wird.

      geschrieben von Susanne

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