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Delfine und „die fünfte Freiheit“


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Biologen-Blog von Dr. rer. nat. Benjamin Schulz, Diplom-Biologe, Volontär, Zoo Dortmund, Teil 35
25. Oktober 2022

Benjamin mit Großem Tümmler
(Foto: Benjamin Schulz)

Hallo liebe Meeresakrobaten-Fans!

Nachdem ich in meinem letzten Beitrag etwas über die vier Säulen der Zooarbeit erzählt habe, möchte ich heute mit der nächsthöheren Zahl fortfahren, und deshalb handelt der aktuelle Blogbeitrag von den fünf Freiheiten des Tierwohls.

Das Konzept selbst hat seinen Ursprung in Großbritannien, wo es im Rahmen einer Diskussion zu notwendigen Verbesserungen der Nutztierhaltung vom Veterinär John Webster entwickelt und im Jahr 1993 vom britischen Farm Animal Welfare Committee veröffentlicht wurde.

Bewertungskriterium für Tierwohl

Seitdem hat sich das Konzept der fünf Freiheiten auch international als Bewertungskriterium für Tierwohl etabliert.

Die Weltorganisation für Tiergesundheit sowie auch die Vereinigung Europäischer Tierärzte empfehlen bei Begutachtung die Einbeziehung der fünf Freiheiten. Darüber hinaus sind mehrere nationale Gesetzgebungen auf deren Grundlage entstanden und globale Tierschutzorganisationen nutzen ebenfalls die fünf Freiheiten als Tierwohlindikator.

Nürnberger Delfin-Lagune
(Foto: Oliver Schmid)

Die fünf Freiheiten im Detail

Darum ist nur logisch, dass auch Zoos die fünf Freiheiten zur Bewertung des Tierwohls ihrer Schützlinge einsetzen.

Doch nun genug Einleitung, es ist Zeit, die fünf Freiheiten im Detail vorzustellen, und hier sind sie nun:

1.Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung: Die Tiere haben freien Zugang zu Wasser und werden mit Nahrung versorgt, die ihre vollständige Gesundheit und Vitalität erhalten.
2. Freiheit von Unbehagen: Den Tieren wird ein geeignetes Umfeld inklusive Unterstand und angenehmer Ruhezone gewährt.
3. Freiheit von Schmerz, Verletzung und Krankheit: Krankheiten und Verletzungen der Tiere werden durch tiermedizinische Betreuung möglichst verhindert bzw. schnell diagnostiziert und behandelt.
4. Freiheit von Angst und Leiden: Die Tiere leben unter Bedingungen, die kein psychisches Leiden entstehen lassen. Durch ein gutes Management werden Angst und Stress vermieden. Das Personal erhält eine fundierte Ausbildung zum Umgang mit den Tieren und der tiergerechte Umgang wird regelmäßig überprüft.
5. Freiheit zum Ausleben natürlichen Verhaltens: Die Tiere können sich tiergerecht verhalten und sämtliche natürlichen Verhaltensweisen ausleben. Es wird dafür ein ausreichendes Platzangebot und eine geeignete Sozialstruktur der Gruppen angeboten.

An dieser Stelle möchte ich nicht verschweigen, dass es auch eine andere Version der fünf Freiheiten gibt, in der das natürliche Verhalten an vierter Stelle kommt und die Freiheit von Angst und Leiden unter dem Oberbegriff der psychischen Gesundheit an fünfter Stelle. Der Einfachheit halber, und da es keinen großen Unterschied ausmacht, bleibe ich für diesen Beitrag aber bei der ursprünglichen Version.

Auf der nächsten Seite wird die fünfte Freiheit näher beschrieben.

2 Kommentare

  1. Ich möchte zu meinem Blogbeitrag noch anmerken, dass ich die Szenarien schon vor längerer Zeit als Konzept aufgeschrieben habe, lange bevor der kürzlich öffentlich gewordene Inzuchtfall im Zoo Duisburg bekannt geworden ist.
    Ich habe zunächst überlegt, ob ich diesen Beitrag noch veröffentlichen soll, mich aber letzten Endes dafür entschieden, da nun tatsächlich alle in meinem Szenario 1 beschriebenen Dinge irgendwo tatsächlich passiert sind und deutlich machen, wie wichtig eine funktionierende Kooperation für die Haltung von Delfinen ist. Im aktuellen Fall würde ich dem Zoo Duisburg nie einen Vorwurf machen, weil ich auch die Hintergründe der Zuchtbuchsituation in Europa kenne und die Folgen des einseitigen politischen Drucks in mehreren Ländern, wo Delfinarien aus ideologisch verklärten Gründen geschlossen worden sind, ohne einen Plan zu haben, was mit diesen Tieren geschieht und auch welche Konsequenzen es für die verbleibenden Zoos hat. Wie ich schon in einer niederländischen Zeitung geschrieben habe, werden als Konsequenz aus der planlosen Hetze gegen Delfinhaltungen irgendwann alle jetzt unter strengen Regeln gehaltenen europäischen Delfine an neue Halter in der weiten Welt verschachert, die sich gar nicht um Tierschutz, Erhaltungszucht und Bildungsarbeit scheren. Bisher hat keine der durch Aktivisten initiierten politischen Beschlüsse zur Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt, sondern nur dazu, dass Tiere aus kontrollierter Haltung entfernt werden mussten und nun nicht mehr greifbar sind für die Erhaltungszucht, das Tierwohl und die Forschung und führte gleichzeitig indirekt auch zu Problemen an anderen Orten wie nun auch hier in einem deutschen Zoo.

    geschrieben von Benjamin
    1. Vielen Dank für deine Ergänzung, Benjamin!

      Ich sehe es ähnlich wie du: Aktivisten, die im Namen des Tierschutzes agieren, ist überhaupt nicht bewusst, dass sie mit den Schließungsforderungen von seriös und wissenschaftlich betriebenen Delfinarien in keinster Weise zum Wohlbefinden der Tiere beitragen. Auch führen grenzwertige Aktionen (zum Beispiel das Springen in Delfinbecken, um gegen die Haltung zu protestieren) nicht dazu, dass ein einziger in freier Natur lebender Delfin, der immensen menschengemachten Gefahren ausgesetzt ist, besser geschützt wird.

      geschrieben von Susanne

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