„Leuchtkugeln“ in der Schweinswalhaut

Günther Behrmann erklärt uns, wo die Leuchtelemente zu finden sind.
(Foto: Rüdiger Hengl)

Im Sommer 2020 haben sich die Meeresakrobaten mit dem Walforscher und Präparator Günther Behrmann getroffen.

Theorie von damals bestätigt

Günther gehört schon lange zu unseren Freunden und wir freuen uns immer wieder, wenn er Neuigkeiten für uns hat.

So war es auch dieses Mal: Auf einem Schweinswal-Foto, das Rüdiger im vergangenen Jahr anlässlich der Schweinswaltage im Ecomare auf Texel (Niederlande) aufgenommen hatte, fand der Walexperte das bestätigt, was er bereits vor langer Zeit bei der Untersuchung von toten Schweinswalen entdeckt hatte:

Schweinswale haben an der Ober- und Unterlippe braungelbe Flecke, die leuchten.

Wohlgemerkt, bei Günthers Erkenntnissen handelt es sich bisher um Hypothesen, die noch von Biologen und/oder anderen Wissenschaftlern verifiziert werden müssen. Trotzdem möchte ich seine Studien schon heute hier vorstellen, da sie für alle Wal- und Delfinfreunde hochinteressant sind.

Keine gewöhnliche Lichtreflexion

Die Lichtpunkte sind von außen sichtbar.
(Foto: Rüdiger Hengl)

Beim ersten Betrachten, könnte man meinen, es handele sich bei den leuchtenden Flecken um eine Lichtreflexion an der Hautoberfläche der Schweinswale. Günther erklärte uns jedoch, dass das eine Täuschung sei.

Günther: „Entfernt man die gelbbraune Abdeckung, stellt man fest, dass sie aus Talg besteht. Außerdem ist etwas tiefer im Leuchtkörper eine Lichtquelle zu sehen. Bei meinen Studien habe ich nämlich festgestellt, dass sich unmittelbar unter der Haut kleine kugelförmige Gebilde befinden. An der Oberlippe etwa mit 180 µm Durchmesser, an der Unterlippe (wegen mangelndem Platz) etwas kleiner. Diese kugelförmigen Gebilde befinden sich am Ende eines Haares im Bereich der Epidermis (Oberhaut).“

Leuchtorgane wurden bisher bei Meerestieren, wie zum Beispiel Tiefseefischen, und Insekten gefunden. Bei Säugetieren wurden sie noch nicht nachgewiesen.

Haben Schweinswale Haare?

Manche von euch werden sich zunächst wundern, dass Günther die Leuchtorgane in den Haaren der Schweinswale entdeckt hat. Auf den ersten Blick haben Waltiere gar keine Haare. Ihre Haut scheint ganz glatt zu sein.

Günther Behrmann zeichnet eine Skizze .
(Foto: Rüdiger Hengl)

Doch dem ist nicht so: Einzelne Haare im Bereich der Nasenspitze und einzelne Schnurrhaare besitzen fast alle jungen Wale. Bei älteren Tieren sind die Haare meist abgebrochen.

Iridophoren

Das Organ am Ende des Haares kann zwar selbst kein Licht erzeugen, dieses aber reflektieren. Damit ist es kein Leuchtorgan im eigentlichen Sinne, sondern ein Iridophor.

Iridophoren sind spezialisierte Hautzellen, in denen durchsichtige Nanokristalle stecken, die das Licht reflektieren.

Beim Schweinswal handelt es sich bei den Kristallen um Harnsäurekristalle, wie sie auch im Urin von Zahnwalen nachgewiesen werden konnten.

Vergleichbare Iridophoren sind bisher nicht bekannt geworden, und so kann man über ihre Phylogenie (stammesgeschichtliche Entwicklung) nur spekulieren.

Die Iridophoren könnten – laut Günther Behrmann – demnach aus Haaren entstanden sein, wobei die Haarschäfte zur Cuticula (Häutchen) der Kapsel und die Haarbalgdrüsen zu Sekret absondernden Drüsen am Stempelfuß wurden.

Iridophoren unter dem Mikroskop
(Foto: Günther Behrmann)

„Leuchtkugel“
(Foto: Günther Behrmann)

Wie eine Schusterkugel

Bereits in früheren Studien hat Günther herausgefunden, dass im glasklaren Plasma der Kapsel zahlreiche Vesikel (Bläschen) schwimmen. Diese wirken wie eine Schusterkugel.

Dabei handelt es sich um ein kugelförmiges, glasartiges Gebilde, in dem von außen kommendes Licht wie in einer Sammellinse gebündet wird. Auf diese Weise konnten – vor der Einführung des elektrischen Lichts – Schuster auch die lichtschwachen Stunden des Tages während der Dämmerung nutzen.

Und so sieht die „Leuchtkugel“ der Schweinswale unter dem Mikroskop aus:

Leuchtorgan
(Quelle: Günther Behrmann)

Erklärungen zur Illustration:
* In der Mitte des Glaskörpers liegen Rudimente der Lichthaut (5). Viele kleine Bläschen verstärken wie bei einer Schusterkugel das Licht.
* Über dem Glaskörper (4) liegt die Glashaut (3), die auch innere Haarrinde genannt wird und das Licht stark reflektiert.
* Zwischen der Glashaut und der äußeren Haarrinde (2) liegt ein Nerventerminal (9), von dem lange Nervenstränge abzweigen.
* Eine dicke Talgschicht umgibt den Haarkörper. Nach oben herausgepresst, entsteht daraus der Deckel (1).
* Der untere Teil des Haares, vom Sattel (8) abwärts, löst sich auf. Die Haarschuppen (11) mit dem Haarkanal werden im umgebenden Gewebe eingebettet.
* Nach der Trennung bleiben innerhalb der Haarrinde (2) alle Haarteile erhalten.
* Im Glaskörper, unterhalb der Kristalle, bleibt der größte Teil des Haarmarks (7) erhalten.
Wie lange nun der ganze Körper noch so erhalten bleibt und Licht reflektiert, ist noch nicht bekannt. Haare können viele Jahre überleben.

„Leuchtkugel“ unter der Haut
(Foto: Günther Behrmann)

Licht wird längere Zeit gespeichert

Günther hat bei der Untersuchung der „Leuchtkugeln“ noch etwas herausgefunden: Die hellen Flecke an der Hautoberfläche leuchten auch, wenn von außen kein Licht zur Verfügung steht.

Die Ursache ist laut Günther darin zu suchen, dass sich unterhalb des Reflektors phosphoreszierende Stoffe (Luminophore) befinden, die Licht längere Zeit speichern können.

Diese phosphoreszierenden Materialien sind meist Kristalle mit einer geringen Beimischung eines Fremdstoffes. Man kennt diesen Leuchteffekt von den Zifferblättern alter Wecker oder von Notausgangsschildern.

Leuchtkraft durch Wärme

Aber nicht nur Licht, sondern auch Wärme kann den Phosphor aktivieren.

Günther: „Wenn die Wale jagen, erhöht sich die Körpertemperatur, dann benötigen sie auch ein Licht, das den Zusammenstoß verhindert. Im dunklen Wasser kann das Licht also als soziale Orientierungshilfe dienen.“

Treffen in Corona-Zeiten
(Foto: Rüdiger Hengl)

Nachwort

Günther: „Die ersten leuchtenden Haare fand ich vor dreißig Jahren. Die Bilder von den lebenden Schweinswalen erhielt ich erst 2019. Viele Fragen, die bei der Hypothese entstanden sind, kann ich nicht mehr beantworten, das müssen nun andere übernehmen.“

Ein großes Dankeschön

Es ist faszinierend, mit welcher Hingabe Günther auch noch in hohem Alter Forschungen betreibt. Ich freue mich riesig, dass unser Freund die Meeresakrobaten auf ein Neues mit seinen Studien zur Anatomie der Wale und Delfine bereichert.

Herzlichen Dank dafür, lieber Günther!

Bitte beachten!

Dieses Material ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht ohne Rücksprache mit Günther Behrmann bzw. den Meeresakrobaten verwendet werden!

Weitere Veröffentlichungen von Günther Behrmann unter PANGAEA (Data Publisher for Earth & Environmental Science).