Meeresakrobaten, 2. Januar 2019
Dass Tiere die Fähigkeit haben, sich durch das Ausstoßen von Lauten mitzuteilen, ist aus vielen Beispielen bekannt. Doch es ist nicht immer klar, ob ihre Kommunikation instinktiv nach einem Ruf-Antwort-Muster abläuft oder ob Elefanten, Wölfe und Delfine eine „echte“ Sprache sprechen.
Es gibt mittlerweile viele wissenschaftliche Studien zum Phänomen der bewussten Kommunikation im Tierreich.
TV-Beitrag in Mediathek
Bis Ende Januar ist zu diesem Thema ein sehr interessanter TV-Beitrag in der Mediathek von ARTE verfügbar. Es gibt zwei Teile zu Die Eloquenz der Tiere – Die Sprache, der Mensch und das Tier.
Sprache trotzt widrigen Sichtverhältnissen
Dass Tiere „sprachfertig“ sein müssen, bedingt schon ihr Lebensraum. Im dunklen Wald oder im trüben Gewässer sind die Sichtverhältnisse stark eingeschränkt. Hier kommt es darauf an, dass Tiere Laute von sich geben, um sich miteinander verständigen zu können.
In beiden Dokumentationsteilen habe ich mir vor allem jene Sequenzen angeschaut, bei denen es um Delfine und deren Sprachfertigkeit geht. Keine Tiersprache ist so gut erforscht wie die der Delfine – und kaum eine ist komplexer.
Ziele der Kommunikation
Im ersten Teil kommt u.a. Professor Vincent Janik vom Scottish Oceans Institute der University of St Andrews, Schottland, zu Wort. Ich kenne den Wissenschaftler persönlich und habe auch schon mehrfach über seine Studien berichtet.
Der Bioakustiker führt Forschungen zum Hörvermögen und zur Lautäußerung von Meeressäugern im Delfinarium und in freier Wildbahn durch.
In der Dokumentation erfährt man von ihm, dass Tiere hauptsächlich miteinander kommunizieren, um Informationen auszutauschen, um andere zu manipulieren oder um ihre Paarungsbereitschaft mitzuteilen sowie um Konkurrenten zu vertreiben.
Fission-Fusion-Gemeinschaft
Janik erklärt im Film dass sich die Kommunikation der Delfine in sogenannten Fission-Fusion-Gemeinschaften abspielt. Man versteht darunter ein soziales Gefüge, in dem sich die Individuen zunächst in einer Gruppe sammeln und sich später wieder trennen.
Auf menschliche Verhältnisse übertragen, kann man dieses Gefüge mit einer Person vergleichen, die zusammen mit einem Freund spazieren geht. Unterwegs treffen die beiden weitere Freunde, mit denen sie sich austauschen. Danach trennen sich ihre Wege wieder. In solch einem Netzwerk trennen und treffen sich auch Tiere.
„Du musst rechts abbiegen!“
Der Forscher Olivier Adam von der Sorbonne-Universität in Paris interpretiert die vielfältigen Laute der Delfine als konkrete Anweisungen – wie z.B. „rechts abbiegen“, „näher kommen“, „gehen wir auf Jagd“ usw. Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen Ruflaut und Handlung. Dabei sehen sich die Delfine nicht unbedingt, bleiben aber auch in der dunklen Tiefsee durch die Aussendung von Schall miteinander verbunden.
Echoortung nicht nur auf der Jagd
Eine Art, wie Delfine miteinander kommunizieren, ist die Echoortung. Dabei werden Schallwellen an die Umgebung abgegeben und Echos aufgenommen.
Früher ging man davon aus, dass die Echoortung ausschließlich zur Orientierung in trüben Gewässern und zur Nahrungsfindung dient. Doch dann hat man herausgefunden, dass sie auch zur Kommunikation eingesetzt wird. Die Delfine teilen die Ergebnisse der Echoortung mit ihren Kameraden. Wenn ein Tier sein Sonar gebraucht, nehmen auch die anderen Artgenossen das zurückkommende Echo wahr.
Studien in Delfiarien
Um Studien zur Echoortung der Delfine durchführen zu können, muss man kontrollierbare Verhältnisse schaffen. Und die gibt es nur in wissenschaftlich geführten zoologischen Anlagen.
Da Delfine beim Vokalisieren nicht das Maul öffnen, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, welcher Delfin gerade das Wort ergreift und an welches Tier die Information gerichtet ist.
Die Ethnologin Dr. Fabienne Delfour von der Universität Paris hat aus diesem Grund in einem Delfinbecken sechs Kameras und vier Mikrofone installieren lassen. Das technische Gerät zeichnete alles auf, was die Delfine taten und sagten. Eine komplexe Software ordnete anschließend die Informationen und kennzeichnete den oder die Delfine, die gerade vokalisierten.
Tests im Freiland
Die speziell zur Delfin-Kommunikation entwickelte Software wurde später von Delfour zusammen mit ihrem Teamkollegen Olivier Adam im karibischen Meer vor der Insel Guadeloupe getestet.
Die Forscher fanden dabei während einer Beobachtungssequenz Folgendes heraus: Das Echo eines ganz hinten in der Gruppe schwimmenden Tieres wurde auch von den Delfinen davor wahrgenommen.
Der erste Delfin näherte sich der Tauchergruppe geräuschlos. Er scannte die Fremden nicht mit Schallwellen ab, wie er es mit einem Beutetier machen würde, sondern suchte offenbar ausschließlich nach optischen Informationen. Er hatte quasi die Späher-Funktion übernommen.
Da er sich auf unbekanntem Terrain bewegte, gab der Späher keinen Ton von sich. So konnte er sicherstellen, dass etwaige Feinde, wie Haie oder kleine Schwertwale, die Delfingruppe nicht entdeckten.
Seine beiden Artgenossen hinter ihm deckten ihn. Der am weitesten entfernt schwimmende Delfin stieß Schallwellen aus, um die Umgebung zu erkunden. Das zurückkommende Echo wurde auch von den beiden anderen Tieren wahrgenommen.
Die Delfine haben also eine gemeinsame akustische Erkundungsstrategie: Der „Späher“ orientiert sich ausschließlich auf visuelle Weise, um nicht entdeckt zu werden, einer der ihm folgenden Delfine scannt die Gegend mithilfe der Echoortung ab.
Jacks Lebensziel
Im zweiten Teil der ARTE-Produktion kommt Jack Kassewitz (Speak Dolphin Miami) zu Wort. Sein Lebensziel ist es, eines Tages mit Delfinen zu sprechen. Er arbeitet zusammen mit dem unabhängigen Wissenschaftler John Kroeker, mit dessen Hilfe er die Töne der Delfine in Bilder „übersetzt“ – ähnlich wie bei einer Embryonenuntersuchung im Mutterleib.
Hohe Informationsdichte
Man erfährt im TV-Beitrag, dass ein Delfin etwa 200 Mal pro Sekunde sogenannte Klicks ausstößt. Diese enthalten eine hohe Informationsdichte und ermöglichen ein genaues Abbild von der Umgebung. Ein weiteres außergewöhnliches Merkmal ist, dass das akustische Nervensystem der Delfine zehnmal leistungsfähiger als unseres ist.
Wie oben bereits beschrieben, werden die Schallwellen, die ein Delfin aussendet, von der ganzen Gruppe wahrgenommen. Ihre Kommunikation erfolgt also im Netzwerk.
Delfine drücken ihre Wünsche aus
Eine andere Forscherin – Diana Reiss vom Hunter College in New York – untersucht die Pfeifsprache der Delfine.
Die Professorin ließ für die Tiere ein interaktives Touchscreen entwerfen, dessen Tastaturen die Großen Tümmler mit der Schnauze aktivieren konnten. Dabei koppelte Reiss den Tastaturendruck mit jeweils einem bestimmten künstlichen Pfeifton.
Drückte der Delfin beispielsweise die Taste mit dem Dreieck, so bedeutete dies, dass er gerne Ball spielen möchte. Ein anderes Symbol, gekoppelt mit einem speziellen Pfiff, stand für Kraulen.
Mit der Zeit imitierten die Delfine von selbst die mit den Symbolen verbundenen Pfiffe. Sie konnten also künstliche Pfeiflaute erlernen und anschließend einsetzen, um ihre Wünsche auszudrücken.
Delfine spielen Computerspiel
Auch ein weiterentwickeltes Tool wurde von den Probanten gerne genutzt. Dabei handelte es sich um ein Dolphin Pad, auf dem sich Fische bewegten.
Die Delfine hatten schnell herausgefunden, dass es sich um ein Spiel handelte, bei dem es darum ging, möglichst viele Fische zu fangen. Alternativ zum Spiel konnten sie sich jedoch auch für ein Video entscheiden.
Das Fernziel von Reiss ist, mit wilden Delfinen zu kommunizieren, um sie auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die in den Meeren lauern.
(Quelle: Die Eloquenz der Tiere)
Zur Symbol-Tastatur noch eine kleine Ergänzung:
In der Doku wurde gezeigt, dass die Delfine nach kurzer Zeit nicht nur die künstlichen Pfiffe imitierten, sondern auch ihren Signaturpfiff angehängt haben, also eine Art rudimentären Satz bildeten. Dies würde also also in etwa Aussagen wie „Streicheln Nami“ / „Ball Moby“ entsprechen.
Vielen Dank für die Ergänzung, Oliver. Ja, im TV-Beitrag wurde noch so viel mehr berichtet. Alle, die ihn noch nicht gesehen haben, unbedingt anschauen!