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Das Schweigen der Schweinswale


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Schweinswal
(Foto: Frank Blache)

Versuchsaufbau

So haben Sørensen et al sich einen Versuchsaufbau überlegt, um diese Datenlücke zu schießen: Mit digitalen akustischen und Bewegungssensoren (DTAGs) wollten die Biologen messen, wie und welche Klickserien zur Kommunikation die Schweinswale im Meer abgeben und ob und in welchem Maß sie akustisch mit anderen Individuen in Kontakt stehen.

Insgesamt haben sie sechs Tiere mit DTAGs versehen – die Sender werden mit Saugnäpfen auf der glatten Walhaut platziert und lösen sich dann wieder von allein – und so eine ganze Reihe von Klickserien erhalten, die sich von den Ortungslauten (lautmalerisch „Buzz“ genannt) signifikant unterscheiden, stattdessen aber den Kommunikations-Klicks der Aquariums-Schweinswale ähneln.

Schweinswale sind „schwatzhafter“, als vermutet

Das bedeutet, dass soziale Interaktionen für diese Walart wesentlich wichtiger sein müssen, als ihr limitiert erscheinendes Repertoire an sozialen Interaktionen vermuten ließ. Außerdem werden viele dieser sozialen Interaktionen offenbar akustisch durch die wiederholte Folge von NBHF-Klicks übermittelt – ein akustisches Muster, das sich von den reinen Buzz-Lauten signifikant unterscheidet. Die Biologen nennen diese Laute „Calls“ – Rufe.

Schweinswale – Die kleinen Vettern der Delfine
(Foto: Susanne Gugeler)

Die sechs Tiere waren überraschend schwatzhaft – bei dem schweigsamsten Wal nahmen die Biologen 90 „Unterhaltungen“ auf, bei den anderen deutlich mehr.

Die Schweinswal-belauschenden Biologen waren sehr überrascht, dass diese sozialen Laute bei den Schweinswalen so häufig zu hören waren. Bisher war nicht bekannt, dass die kleinen Wale so viele Sozialkontakte haben.

Bis zu 27 Mal pro Minute wiederholten die Wale ihre sozialen Calls. Das würde bedeuten, dass die Kleinwale einen erheblichen Zeit- und Energieaufwand betreiben, um mit anderen Artgenossen akustisch in Kontakt zu bleiben. Dieser akustische Aufwand war nicht nur bei Mutter-Kalb-Gruppen zu hören, sondern auch bei scheinbar einzelnen Tieren. Der „allerplauderwilligste“ Wal war ein Einzeltier!

Neben den Calls waren auch Echolokations-Buzzes sehr häufig, besonders bei Mutter-Kind-Paaren. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie so in dem trüben Wasser in engem Kontakt bleiben, auch wenn sie sich nicht sehen können.

Schweinswale in der Nordsee (Foto: Susanne Gugeler)

Schweinswale sind gesellige Tiere

Schweinswale sind also, entgegen der bisherigen Lehrmeinung, gesellige Tiere, die in Hörreichweite ihrer Artgenossen rege soziale akustische Beziehungen haben. Ihre Soziallaute sind vielfach wiederholte schnelle Klickfolgen.

Obwohl diese Art der wenig diversen Lautgebung vielleicht nicht optimal für soziale Informationen ist, haben die Schweinswale diese Form der Akustik gewählt. Ein offensichtlicher Vorteil dieser reduzierten akustischen Breite ist, dass sie in einem für große Delfinartige nicht hörbaren Frequenzbereich sind. Die Schweinswale klönen akustisch getarnt!

Schweinswal-Klönschnack mit Klick

Die Erforschung des Verhaltens und der Kommunikation von Schweinswalen basiert vor allem auf Beobachtungen in Aquarien – in Kerteminde (Dänemark) leben seit mehr als 20 Jahren einige verunglückte Tiere und deren Nachwuchs.

Magnus Wahlberg und seine Kollegen haben ihre Forschungsergebnisse in einem wunderbar zu lesenden Beitrag im Scientific American beschrieben. Anschaulich erklären sie die Umwelt eines Wals, seine Konzentration auf die Akustik.

Gewöhnlicher Schweinswal
(Illustration: Jörg Mazur)

Schweinswale scheinen nahezu andauernd kurze, starke, sehr hochfrequente Klicks abzugeben, wie Nikolai Dubrovskiy et al schon 1971 erstmals beschrieben haben. Die einzelnen Klicks sind nur 50 bis 100 Mikrosekunden lang und haben Frequenzen um 130 Kilohertz. Sie sind damit für Menschen normalerweise unhörbar. Ein Glück, denn sie sind so stark, dass sie unter Wasser ein menschliches Gehör noch im Abstand von einigen Metern beschädigen können.

Schweinswale können Frequenzen zwischen 100 Hertz und 150 Kilohertz wahrnehmen. Die höheren Frequenzen mit den kurzen Wellenlängen brauchen sie für das Aufspüren sehr kleiner Beute wie etwa Grundeln von nur wenigen Zentimetern Körperlänge.

20 Klicks pro Sekunde

Bei der Nahrungssuche geben die Kleinwale 20 Mal pro Sekunde Klicks ab. In der Annäherung an die Beute, steigt die Klickrate zu mehreren 100 Klicks pro Minute (Anmerkung Meeresakrobaten: Es muss wohl „Sekunde“ heißen, wie Oliver in seinem Kommentar richtiggestellt hat.) an – bis hin zum terminal buzz beim Zuschnappen. Dieses akustische Muster ist übrigens bei fast allen Zahnwalen und auch insektivoren Fledermäusen nahezu identisch.

Beobachtungen an Schweinswal-Kalb

Besonders spannend war, wie ein in Gefangenschaft geborenes Schweinswal-Kalb lernte, sein Biosonar zu nutzen. Direkt nach der Geburt klickte der Kleine relativ tieffrequent und auch für Menschen hörbar. Innerhalb einer Stunde produzierte er Klicks höherer Frequenzen, er schien sich den Erwachsenen und ihren Lauten anzupassen. Nach einigen Tagen war sein Biosonar voll funktionsfähig entwickelt, auch wenn er erst nach der Entwöhnung im Alter von acht Monaten anfing, Fisch zu orten und zu fressen.

Experimente mit „blinden“ Meeressäugern

Für Experimente mit Meeressäugern, die andere Sinne als den Sehsinn erfoschen sollen, setzen Biologen Walen und Robben Saugnapf-Kappen auf die Augen. So sind die Meeressäuger wirklich blind und die Biologen sind sicher, dass die Wale ihr Gehör und Robben ihre Vibrissen benutzen.

In diesem Video aus dem Fjord- und Belt-Zentrum Kerteminde ist zu sehen, wie ein Schweinswal wissenschaftliche Resultate liefert:

Übrigens: Mäuse kommunizieren ebenfalls intensiv und über der Hörschwelle erwachsener Katzen. Nur junge Katzen können die akustischen sozialen Interaktionen von Mäusen hören, sind aber für eine erfahrene Maus keine echte Gefahr. Die Tarnung der eigenen sozialen akustischen Kommunikation ist also gar nicht so ungewöhnlich im Tierreich.

Quellen:

* M. Sørensen, D. M. Wisniewska, F. H. Jensen, M. Johnson, J. Teilmann & P. T. Madsen: “Click communication in wild harbour porpoises (Phocoena phocoena)“; Nature; Scientific Reportsvolume 8, Article number: 9702 (2018)

* Magnus Wahlberg, Meike Linnenschmidt, Peter Madsen, Danuta Wisniewska, Lee Miller: “The Acoustic World of Harbor Porpoises”

1 Kommentare

  1. Hallo, ich glaube, an einer Stelle ist ein kleiner Vertipper drin. Auf der letzten Seite steht:
    „In der Annäherung an die Beute, steigt die Klickrate zu mehreren 100 Klicks pro Minute an“
    Das muss sicher „pro Sekunde“ heißen ;-)

    geschrieben von Oliver

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