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Wie viel Salz brauchen Delfine?


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Meeresakrobaten, 28. Februar 2016

Fluke eines Großen Tümmlers (Foto: Rüdiger Hengl)

Fluke eines Großen Tümmlers (Foto: Rüdiger Hengl)

Ich habe mir einmal darüber Gedanken gemacht, wie salzhaltig Wasser eigentlich sein muss, damit Große Tümmler darin gut leben können.

Auslöser für meine Überlegungen waren die beiden Delfine, die nun schon monatelang in der Ostsee schwimmen – einem Gewässer, das nicht zu ihrem normalen Lebensraum gehört.

Ostsee hat unterschiedliche Salzwerte

Die auch „Selfie“ und „Delfie“ genannten Delfine haben sich seit Mai 2015 in Gebieten aufgehalten, die unterschiedliche Salzwerte haben. So beträgt der Salzgehalt der Ostsee im Nordwesten nur 0,3 Prozent. Im Südwesten ist er höher. Dort können bis zu 1,8 Prozent gemessen werden.

Flecken auf der Haut

In einem Videofilm von Stephan Thomsen kann man (etwa bei 0:34 Sekunden) gut erkennen, dass zumindest ein Tier auffällige Flecken auf der Haut aufweist.

Die Flecken könnten auf einen sogenannten Poxvirus (Pockenvirus) hinweisen, der sowohl in der Wildbahn als auch bei Tieren im Delfinarium zu beobachten ist. Tiere, die diesen Virus in sich tragen, können ein geschwächtes Immunsystem haben.

Haut-Auffälligkeiten (Standbild aus Film von  Stephan Thomsen)

Haut-Auffälligkeiten
(Standbild aus Film von Stephan Thomsen)

In einem wissenschaftlich geführten Zoo werden Tiere, die krank sind und/oder ein geschwächtes Immunsystem haben, selbstverständlich beobachtet und behandelt. Bei wildlebenden Meeressäugern geht das natürlich nicht.

Bei den beiden „Ostsee-Delfinen“ weiß man außerdem nicht, ob sich die Flecken auf der Haut erst in dem für sie fremden Lebensraum gebildet haben oder ob sie bereits früher damit belastet waren.

Die Delfine machen einen putzmunteren Eindruck

Beide Tiere machen weder einen geschwächten noch kranken Eindruck. Die Haut-Auffälligkeiten scheinen (zumindest gegenwärtig) keinen Einfluss auf ihr Wohlbefinden zu haben. Allerdings ist das eine Interpretation aus der Ferne, und die sollte man mit Vorsicht genießen – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.

Weitere Stressfaktoren

Doch auch wenn sich „Selfie“ und „Delfie“ in der Ostsee offenbar wohlfühlen, sollte man mögliche Gefährdungen nicht außer Acht lassen. Nicht nur ein geschwächtes Immunsystem kann die beiden Delfine in der Ostsee beeinträchtigen.

* In wenig salzhaltigem Wasser kommt als Stressfaktor noch hinzu, dass die Tiere mehr Energie aufwenden müssen. Sie werden ja nicht so gut getragen wie in Salzwasser mit einem höheren NaCl-Wert – zum Beispiel wie in der Nordsee. Dort werden 3,5 Prozent gemessen.

* Das bedeutet u.a., dass die Delfine sich nicht so gut ausruhen können, weil sie sich mehr bewegen müssen, um nicht abzusinken.

* Außerdem kann es passieren, dass die beiden Delfine – dort, wo viele Menschen sind – beim Jagen unterbrochen werden.

Herz und Niere (hinten) eines Delfins

Herz und Niere (hinten) eines Delfins

* Die beiden Delfine sind in ein Gewässer eingewandert, das nicht ihren optimalen Lebensbedingungen entspricht. Das kann auch für ihren Stoffwechsel Stress bedeuten.

Die Nieren der Großen Tümmler sind optimal an einen höheren Salzgehalt angepasst. Sie sind in der Lage, mithilfe vieler Nierenläppchen (Renculi) überschüssiges Salz im Körper auszuscheiden. Dabei darf aber nicht zu viel Wasser abgegeben werden, damit die Tiere nicht dehydrieren. Aus diesem Grund ist der Harn stark konzentriert.

In wenig salzhaltigem Wasser läuft der Salz- und Wasserhaushalt im Körper anders ab. Es kann ein sogenannter osmotischer Stress entstehen, da im Körper ständig der optimale Salz- und Wassergehalt aufrechterhalten werden muss.

* Auch ist die Zusammensetzung von Bakterien und Pilzen in weniger salzhaltigem Wasser eine andere als in stark salzhaltigem Wasser.

Wie sich wenig salzhaltiges Wasser auf die Dauer auf den Stoffwechsel der Delfine auswirkt, weiß ich nicht. Aber es ist zu vermuten, dass der Einfluss eher negativ ist.

Weniger Salz, als das Säugetiergutachten verlangt

Das aktuelle Säugetiergutachten, das am 7. Mai 2014 veröffentlicht wurde und Richtlinien für in menschlicher Obhut gehaltene Tiere auflistet, schreibt für Delfinarien übrigens einen Salzgehalt zwischen 2,2 und 3,5 Prozent vor.

In der Lagune (Foto: Rüdiger Hengl)

In der Lagune
(Foto: Rüdiger Hengl)

Das sind 22 bis 35 Gramm NaCl (Natriumchlorid) pro Liter Wasser. Also einiges (bis zu zehnmal) mehr, als die Ostsee bieten kann.

Salzgehalt in Nord- und Ostsee

Abschließend möchte ich mich der Frage widmen, warum die Ostsee eigentlich einen beträchtlich niedrigeren Salzgehalt hat als die Nordsee.

Die Antwort darauf lautet, dass die Ostsee erdgeschichtlich gesehen ein relativ junges Meer ist. Sie ist nach der letzten Eiszeit – also vor ca. 10.000 Jahren – entstanden. Durch abfließendes Schmelzwasser füllte sich die Ostsee zunächst mit Süßwasser auf.

Im äußersten Südwesten gibt es eine schmale Meerenge – das Kattegat zwischen Dänemark und Schweden -, welche die Ostsee mit der Nordsee verbindet. Hier strömt Wasser mit einem deutlich höheren Salzgehalt ein.

Doch die Süßwassereinträge über große Flussmündungen sowie durch Niederschläge stehen diesem salzigen Einstrom entgegen.

Ganz im Osten oder Norden der Ostsee (Bottnischer und Finnischer Meerbusen) findet man beinahe Süßwasser vor.
(Quellen: Dr. Klaus Anger, Meereszoologe an der Biologischen Anstalt Helgoland des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, Einzigartige Ostsee)

Lesetipps

* Fragen an einen Delfin-Experten
* Anatomie der Delfine

3 Kommentare

  1. Die Frage nach der Salz- / Süßwasserverträglichkeit habe ich vor Jahren auch schon mal an Dr. von Fersen gestellt. Dessen Aussage war, dass die Haut von großen Tümmlern weich wird und schließlich sogar anfängt, Blasen zu werfen, wenn sie zu lange in Süßwasser unterwegs sind.

    Ich denke, es wird für die Tiere auch ein Problem mit (Pilz-) Infektionen und Ähnlichem geben, wenn das Wasser nicht salzhaltig genug ist. Der Grund dürfte sein, dass sie ihre Haut normalerweise mit einer Schleimschicht schützen, die sich in Süßwasser abwäscht (was mit den osmotischen Drücken zusammenhängt).

    Inwieweit die beiden Tiere dauerhaft mit der Ostsee klar kommen, wird die Zukunft zeigen. Viel machen kann man wohl sowieso nicht. Ein wichtiger Faktor wird wohl auch sein, wie hoch der tatsächliche Salzgehalt in ihrem derzeitigen Lebensraum ist.

    Die Salz- und Süßwassertoleranz ist bei den unterschiedlichen Delfinarten übrigens sehr unterschiedlich: So können Iriwadidelfine sowohl in Süß- als auch in Salzwasser dauerhaft leben; dasselbe gilt für die (ganz ähnlich aussehenden, aber nicht verwandten) Weißwale.

    geschrieben von Norbert
  2. In Körperzellen ist Flüssigkeit. Die hat eine bestimmte Zusammensetzung und Konzentration. Ich kann mir gut vorstellen, dass es zu anderen Osmose-Verhältnissen kommt, wenn sich bei umgebenden Flüssigkeiten deren Zusammensetzung und Konzentration (also die der umgebenden Flüssigkeit!) ändert. Nicht umsonst wendet man bei Patienten mit Schmerzen (aufgrund des Überdrucks in Körperzellen) sogenannte Stanger-Bäder an.

    geschrieben von Rüdiger
  3. Genau diese Fragen habe ich mir vorhin beim Lesen eines Artikels gestellt! Danke, für diesen Beitrag! ?

    geschrieben von Maya

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