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Besondere Delfine in Brasilien


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Meeresakrobaten, 12. Januar 2023

Immer wieder liest man, dass der Bestand der Großen Tümmler nicht gefährdet sei. Man geht von weltweit 600.000 Tieren aus (Quelle: Whale and Dolphin Conservation).

Lahille’s Großer Tümmler
(Foto: YAQU PACHA)

Doch es gibt nicht nur d e n Großen Tümmler, sondern verschiedene Ökogruppen und Unterarten. Darüber habe ich euch erst vor Kurzem im Artikel Die kleinsten Großen Tümmler berichtet.

Lahille’s Großer Tümmler

Heute lenke ich euer Augenmerk auf den Lahille’s Großen Tümmler (Tursiops truncatus gephyreus). Er lebt in Südbrasilien in der Lagoa dos Patos (= Entenlagune). Die Lagune ist 180 km lang.

Der Name „Lahille“ bezieht sich auf den argentinischen Naturforscher Fernando Lahille.

1976 wurden die ersten Fotos von Lahille’s Großen Tümmlern gemacht. Ähnlich wie der Fingerabdruck beim Menschen ist beim Delfin die Rückenflosse (= Finne) individuell ausgeprägt. Anhand von Fotos kann man jede Finne einem bestimmten Delfin zuordnen.

Seit 1998 werden systematisch Daten in der Lagune gesammelt. Dadurch ergeben sich verlässliche Zahlen für die Population.

Vor allem männliche Delfine sterben in Netzen

Die Lagunen-Gruppe besteht aus rund 80 Tieren. Ihr Bestand variiert über die Jahre um etwa fünf Delfine mehr oder weniger.

An den Stränden der Lagune werden pro Jahr acht bis 14 tote Delfine gefunden.

Die entdeckten Tiere wurden teilweise mit Macheten grausam verstümmelt. Offenbar hatten sich die Meeressäuger mit ihren Flossen in Nylonnetzen verheddert. Die Fischer hatten sie dann herausgeschnitten, um ihre Netze zu retten.

Lahille’s-Tümmler
(Foto: YAQU PACHA)

Mutter mit Jungtier
(Foto: YAQU PACHA)

Zwei Lahille’s-Delfine
(Foto: YAQU PACHA)

Im Netz verfangener Delfin
(Foto: YAQU PACHA)

Die meisten Todfunde gab es in den Monaten November bis März. In dieser Zeit sind die Fischer verstärkt mit Stellnetzen unterwegs, um auf den beliebten Atlantischen Umber Jagd zu machen.

Da die Delfinweibchen standorttreu und in der Lagune beheimatet sind, bleibt die Population trotz der Beifang-Opfer stabil. Die männlichen Artgenossen dagegen schwimmen immer wieder in Regionen, wo sich Netze befinden. Dementsprechend sind zwei Drittel der Beifang-Opfer Delfinbullen.

Delfinkühe leben länger als Delfinbullen

Von 120 Tieren, die zwischen 1976 und 2017 in Südbrasilien untersucht wurden, gibt es eine Altersbestimmung. Das jeweils älteste Männchen und Weibchen waren 27 bzw. 44 Jahre alt, was darauf hindeutet, dass die Weibchen länger leben als die Männchen.

Weibchen sind mit ca. 13 Jahren ausgewachsen und messen 3,15 Meter, Männchen sind mit 18 Jahren ausgewachsen und messen 3,50 Meter.

YAQU PACHA unterstützt Schutzbemühungen

„Der Verlust eines Weibchens in der überschaubaren Lagunen-Gruppe wäre ein großes Problem, weil sie durch Nachwuchs für den weiteren Bestand sorgen“, meint Dr. Lorenzo von Fersen -Delfin-Experte sowie Vorsitzender der Artenschutzgesellschaft YAQU PACHA. „Auf eine gewisse Anzahl männlicher Tiere kann man eher verzichten.“

Seit 2005 unterstützt die im Nürnberger Tiergarten ansässige Artenschutzorganisation YAQU PACHA die Forschenden der Universidade Federal do Rio Grande. Diese betreiben Studien zum Lahille’s-Tümmler in den Gewässern rund um Rio Grande do Sul (Bundesstaat in der Südregion von Brasilien).

Neben dem Sammeln von Sichtungsdaten wurden den Tieren Gewebeproben für genetische Untersuchungen entnommen.

Lahille’s Große Tümmler in der Lagune
(Foto: YAQU PACHA)

Kaum genetischer Austausch

Die Ergebnisse zeigen stark getrennte, bzw. isolierte Delfinpopulationen von küstenbewohnenden Tursiops truncatus gephyreus und im offenen Meer lebenden Tursiops truncatus truncatus. Unter den beiden Gruppen findet kaum ein genetischer Austausch statt.

Zu den Studien wurde im Dezember 2019 eine wissenschaftliche Publikation von Ana Costa und Pedro Fruet aus der Arbeitsgruppe von Prof. Eduardo Secchi im Journal of Evolutionary Biology veröffentlicht.

Gefahr durch kontaminiertes Wasser

Die zwei größten Gefahren für die Lahille’s Großen Tümmler stellen Überfischung und Beifang dar. Aber auch Kontaminationen bedrohen den Bestand der Tiere.

Die PCB-Werte (Polychlorierte Biphenyle – giftige organische Chlorverbindungen) in den Biopsie-Proben der untersuchten Großen Tümmler liegen dabei weit über dem Schwellenwert und können auf neue Risiken, wie erhöhte Sterblichkeit und Fortpflanzungsbeeinträchtigungen, hinweisen.

Chemikalien können außerdem der Auslöser für großflächige Hautveränderungen sein, die sowohl bei lebenden als auch bei toten Meeressäugern registriert wurden.

Fischereisperrgebiete als Lösung

Die Forscher und Forscherinnen von der Universidade Federal do Rio Grande schlagen aufgrund der Studienergebnisse vor, Fischereisperrgebiete einzurichten.

Die bereits bestehenden Fischereischutzgebiete aufgrund des im Jahre 2012 beschlossenen Fischereigesetzes werden weiter überwacht. Es ist zu hoffen, dass bei Einhaltung der Verbote die Population vom Aussterben gerettet werden kann.

Dr. Mats Amundin, Dr. Marta Cremer und Dr. Lorenzo von Fersen mit dem ersten C-POD
(Foto: YAQU PACHA)

Da weltweit Delfinpopulationen mit vergleichbaren Problemen vorzufinden sind, erwarten die Forschenden, dass die in diesem Projekt vorgeschlagenen Lösungen im Falle eines positiven Ergebnisses, einen Modellcharakter haben werden.

Anwendung neuer Technologie

Innerhalb des Projekts „Großer Tümmler in Laguna“ wurde unter Anwendung neuer Technologie basierend auf Bioakustik das Verhalten der Tiere erforscht.

Dabei werden sogenannte C-Pods (Cetacean Porpoise Detector) eingesetzt. C-Pods sind autonome Aufnahmegeräte, die hochfrequente Laute registrieren.

Im Inneren einer Plastikröhre befindet sich ein Hydrophon und eine Speicherkarte. Mittels Batterien kann der C-Pod für ca. einen Monat im Wasser verbleiben.

Die C-Pods werden an festen Positionen im Wasser eingesetzt. Bei der Auswertung können die aufgezeichneten Töne mithilfe von Computern dann eine räumliche und zeitliche Verteilung der Delfine wiedergeben.

Aufgrund der hohen Anschaffungskosten der C-Pods werden außerdem weiter die in Brasilien produzierten alternativen Hydrophone genutzt.
(Quellen: YAQU PACHA, Delfinschutz in Brasilien, Introduction to the Special Volume on Tursiops in the Southwest Atlantic Ocean und Age structure of strandings and growth of Lahille’s bottlenose dolphin (Tursiops truncatus gephyreus))

Lesetipps

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