Mythos Wal

Ein Leben in der Zivilisation

Maligne See mit Spirit Island (Foto: Frank Blache)

Mit der Gründung Kanadas 1867 kamen auch die Indianer der Nordwestküste unter staatliche Oberherrschaft. In Verträgen und Erlassen wurde ihnen immer mehr von ihrem Land weggenommen, bis nur noch kleine und kleinste Reservate (in Kanada „Reserves“ genannt) übrig blieben.

Eine der symbolträchtigsten Maßnahmen zur „Zivilisierung“ der Indianer war das 1884 erlassene Verbot des Potlatch. Das Potlatch, ein Geschenkeveteilungsfest, war charakteristisch für diese Region. Es fand zu verschiedenen Anlässen wie Namensgebung, Hochzeit oder Totengedenkfeier statt. Die größten Potlatch-Feste gab es anlässlich der übernahme eines Häuptlingsamtes oder der Rangerhöhung eines Häuptlings. Dabei wurden große Mengen von Gebrauchsgütern verschenkt und wertvolle Prestigeobjekte wie „Coppers“ (bemalte Kupferplatten) präsentiert, manchmal auch zerstört. Zur Durchsetzung des Verbots wurden noch 1921 über 20 Kwakiutl von hohem Rang zu Gefängnisstrafen verurteilt. Sie kamen erst wieder frei, als sie ihre rituellen Objekte, vor allem Masken, den Behörden übergaben.

Der kommerzielle Fischfang und die zunehmende Integration in die kanadische Gesellschaft veränderten die traditionellen Strukturen erheblich. Durch Arbeitslosigkeit waren immer mehr Indianer auf staatliche Unterstützung angewiesen. Viele siedelten deshalb in Großstädte über.

Totempfahl auf Vancouver Island (Foto: Susanne Gugeler)

Das Potlatch-Verbot wurde 1951 aufgehoben. Dies war ein erster Anstoß für die seit Beginn der 1970er-Jahre einsetzende kulturelle Rückbesinnung. Die Wiederbelebung der alten Holzschnitz-Techniken und die Übernahme des Siebdrucks führten zum Aufblühen der Nordwestküsten-Kunst. Masken wurden nicht nur für Potlatch-Feste geschnitzt. Sie fanden nun einen immer größeren Kunst- und Sammlermarkt.

Einige der alten, vom Verfall bedrohten Wappenpfähle wurden als historische Monumente in Museen konserviert. Indianische Künstler erhielten den Auftrag, als Ausgleich neue zu schaffen. Viele dieser sogenannten „Totempfähle“ stehen heute in kanadischen Städten in Parks und auf öffentlichen Plätzen. Sie sind ein weithin sichtbares Zeichen dafür, dass die Kulturen der Nordwestküste nicht untergegangen sind, sondern in der modernen kanadischen Gesellschaft ihren (wenn auch marginalen) Platz gefunden haben.

Diese Informationen stammen aus der Ausstellung „Indianer Nordamerikas – Vom Mythos zur Moderne“ im Museum für Völkerkunde / Berlin Dahlem.

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