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Kieler Delfin macht alle glücklich


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Meeresakrobaten, 16. September 2016

Ganz Kiel scheint sich in einem Delfin-Rausch zu befinden.

Kieler Sprotten (Foto: wikipedia/Joachim Müllerchen)

Ob die Kieler Sprotten Freddy angelockt haben?
(Foto: wikipedia/Joachim Müllerchen)

Der Grund? Seit etwa einer Woche pendelt ein Großer Tümmler über die Schleuse Holtenau zwischen der Kieler Förde und dem Nord-Ostsee-Kanal hin und her.

Dem Meeressäuger wurde sogar eine eigene Karte bei Google gewidmet, auf der man verfolgen kann, wo er sich gerade befindet.

Bereits im Frühjahr bekam Kiel Delfin-Besuch

Das ist nun schon das zweite Mal in diesem Jahr, dass sich die Kieler über einen außergewöhnlichen Besuch freuen können. Im Frühjahr waren es Selfie und Delfie, die küstennah ihre Späße trieben (siehe dazu auch Meeresakrobaten-Beitrag Der mit den Delfinen taucht), nun ist es Freddy. So wird der Einzelgänger mittlerweile genannt.

Ob es Freddy zur gleichen Berühmtheit bringen wird wie Fungi aus Dingle/Irland, der sich bereits seit Jahrzehnten im Hafenbecken von Dingle aufhält, oder eher ein Sommer-Märchen bleiben wird, bleibt noch abzuwarten.

Doch genau wie Fungi scheint Freddy die Nähe der Menschen regelrecht zu suchen. Es gibt inzwischen jede Menge Fotos und Filme im Internet, die ihn mit Badenden zeigen.

Viele Kieler „stürzen sich in die Fluten“, um dem Delfin ganz nah zu sein. Und nicht nur das, sie wollen ihn auch streicheln, ihn umarmen und sich an seiner Rückenflosse durchs Wasser ziehen lassen.

Menschen, die außerhalb Kiels wohnen, schimpfen im sozialen Netzwerk und finden derartiges Verhalten verantwortungslos.

Fungi liebt Menschen. (Foto: Rüdiger Hengl)

Fungi aus Dingle/Irland liebt ebenfalls den Kontakt zu Menschen. (Foto: Rüdiger Hengl)

Neid oder ernsthafte Sorge?

Ob das daran liegt, dass sie das muntere Treiben von Schwimmern und Delfin nur am Computer oder Fernsehgerät miterleben können (Neid?) oder aus ernsthafter Sorge um Mensch und Tier? Das ist schwierig einzuschätzen.

Es ist ein ganz großer Wunsch vieler Tierfreunde, einmal einen Delfin zu streicheln oder mit ihm zu schwimmen. Denn es liegt in der Natur des Menschen, seine Umgebung und dort vor allem Unbekanntes durch Anfassen zu erfahren (siehe hier auch den Meeresakrobaten-Artikel über die Biophilie). Die Begegnung mit einem Tier löst Glücksgefühle aus.

Doch leider kann die Erfüllung dieses Verlangens direkt in ein Krankenhaus führen. Darüber habe ich an anderen Stellen schon ausführlich berichtet (Stichworte: sexuelle Übergriffe von Delfinen auf Badende, Bisswunden, Missverständnisse führen zu Angriff usw.).

Welcher Trieb gewinnt die Oberhand?

Wie sieht man als Laie, ob dem Delfin nach Spielen zumute ist oder ob er den Menschen als Sexualobjekt „missbrauchen“ möchte? (Man beachte bitte die Anführungszeichen, denn aus Sicht des Delfins handelt es sich ganz bestimmt nicht um einen Missbrauch, sondern um ein Verhalten, das in seiner Natur liegt.)

Es ist auch schwierig zu erkennen, wann aus dem anfänglichen Spieltrieb plötzlich ein sexueller Übergriff wird.

Schleuse in Port River (Foto: Marianna Boorman)

Schleuse mit Delfinen in Port River/Australien
(Foto: Marianna Boorman)

Gefährlich ist es auch, wenn sich viele Menschen gleichzeitig dem Delfin nähern (ein Delfin ist nun mal ein wildes Tier).

Es gab in Irland schon den Fall, dass ein solitär lebender Delfin mit einer Frau in Ufernähe schmuste, als plötzlich eine zweite Frau ins Wasser sprang, um den Delfin zu streicheln. Der Große Tümmler erschrak offenbar und verletzte die zweite Frau mit seiner Fluke und mit seiner Schnauze so schwer, dass diese in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Mehr dazu unter: Frau wurde von Delfin verletzt.

Schiffsverkehr und Schleuse

Doch auch dem Delfin kann übel mitgespielt werden, wenn er als Gast in einer für ihn unvertrauten Umgebung auftaucht. Ich denke da weniger an menschliche Keime als eher an den Schiffsverkehr.

Freddy scheint immer wieder die Schleuse Holtenau zu passieren. Dabei schließt er sich Schiffen an, die in die Schleuse einfahren. „Der Delfin schleust munter hin und her“, berichtet Matthias Visser vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt.

Dieses Verhalten wurde auch schon anderswo beobachtet und zwar in Australien. In der Nähe der Metropole Adelaide in der Port-River-Mündung lassen sich Delfine immer wieder absichtlich einschleusen. Sie geraten nicht etwa in Panik, wenn sich die mächtigen Tore schließen, sondern schnappen sich die Fische, die ihnen innerhalb der Schleuse nicht entkommen können.

Ob es in Kiel die Kieler Sprotten sind, die Freddy an diesen ungewöhnlichen Aufenthaltsort gelockt haben?

Lesetipps

* Walexperte; Delfin in Kiel ist abgebrühter Bursche
* Der mit den Delfinen taucht (Delfine in der Flensburger Förde)
* Delfine lassen sich in Schleuse einsperren
* Delfine und Menschen
* Frau wurde von Delfin verletzt
* Dony und Dusty – die ungewöhnliche Freundschaft zu zwei Delfinen
* Delfine können auch anders

3 Kommentare

  1. Ich denke allerdings, die anscheinende Bedürfnis, einen Delphin anfassen zu wollen, geht noch ein Stück über das reinen Biophilie-Prinzip hinaus. Ich denke niemand (mit gesundem Menschenverstand) käme auf die Idee, einen ausgewachsenen Tiger streicheln zu wollen, selbst wenn er ihn niedlich findet. Delphine betreffend ist aber mMn auch nach 50 Jahren immer noch dieses realitätsfremde Flipper-Bild in den Köpfen verankert.
    Die Art und Weise, wie die Tiere in der vergangenen Jahrzehnten in Menschenhand präsentiert, aber auch in Tierdokus porträtiert wurden, hat das eher noch zementiert, denn korrigiert. Zum Glück ändert sich das inzwischen.

    geschrieben von Dani
  2. Das sehe ich ähnlich, Oliver. Allerdings kommt es wirklich auf die Situation an. Wenn man selbst vor Ort ist, sieht manches anders aus, als wenn man zu Hause darüber nachdenkt.

    Auf deinen Beitrag freue ich mich schon. Und deinem Tipp, einmal die Delfine hinter den Kulissen zu erleben, kann ich mich nur anschließen.

    geschrieben von Susanne
  3. Ich würde nicht auf einen wilden Delfin, der nicht an Menschen gewöhnt ist, zuschwimmen. Wenn man im Wasser ist und er von sich aus zu einem kommt, ist es etwas anderes, da geht der Kontakt ja von ihm aus. Dennoch würde ich ihn selbst dann nie anfassen / streicheln, weil man wie gesagt nicht weiß, wie er reagiert.

    Dann lieber einen Nachmittag, wie ich ihn in Nürnberg vorige Woche erleben durfte. Da konnte man Delfinen auch ganz nahe sein und mit ihnen spielen. Und diese Tümmler sind Menschen ja von Klein auf gewohnt.
    Vielleicht klappt’s ja bald mit meinem Bericht als Gastbeitrag für die Meeresakrobaten :-)

    geschrieben von Oliver

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