Berichte

Fernando und die Flussdelfine


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Meeresakrobaten, 16. September 2017

Dr. Fernando Trujillo
(Foto: Rüdiger Hengl)

Dr. Fernando Trujillo erforscht bereits seit über 30 Jahren den Amazonas-Flussdelfin. In dieser Zeit hat er leider beobachten müssen, dass es dem Delfin mit der langen Schnauze immer schlechter geht.

Legenden verblassen

Früher rankten sich noch schwärmerische Legenden um den Flussdelfin, dem man nachsagte, er würde in Städten unter dem Wasser leben und verkleidet als Mensch ab und zu an Land kommen. Heute wird er gejagt.

Der Meeresbiologe bedauert, dass die Legenden um den Flussdelfin langsam verblassen. Das liegt seiner Meinung u.a. daran, dass es am Amazonas immer weniger Ureinwohner gibt.

Trujillo sagt, dass nur wenige wüssten, dass von den 34 Millionen Menschen, die am Amazonas leben, lediglich weniger als vier Millionen Ureinwohner seien. Die vielen Menschen würden die Natur ausnutzen, prangert er an.

Eine Studie schätzt, dass zwischen 1904 und 1969 rund 23 Millionen Tiere mit 20 Arten von Säugetieren und Reptilien im westlichen brasilianischen Amazonas gejagt und getötet wurden.

Trujillo erhält Preis für seine Arbeit

Heute ist der Meeresbiologe wissenschaftlicher Leiter der Organisation Foundation Omacha, die sich um den Flussdelfin und andere Spezies, die im Amazonas leben, kümmert. Omacha bedeutet in der Tikuna-Sprache „rosafarbener Delfin“.

Trujillo gewann 2007 den Whitley Gold Award für seine Arbeit in der Organisation.

Amazonas-Flussdelfin aus dem Duisburger Zoo
(Foto: Rüdiger Hengl)

Fische werden dem Delfin zum Verhängnis

Vor zwölf Jahren wurde dem Delfin ein Fisch namens Capaz (Pimelodus grosskopfii) zum Verhängnis. Der Capaz ist vor allem in Kolumbien sehr beliebt, erfahren wir von Trujillo. Schnell war diese Art überfischt. 2016 stand sie bereits auf der Roten Liste.

Weil es immer weniger Capaz gab, wichen die Fischer auf eine andere Art aus – den Piracatinga (Calophysus macropterus). Dieses Tier ernährt sich von Aas. Und das nützten die Fischer aus. Sie fingen Amazonas-Flussdelfine und nahmen deren Fleisch als Köder für den Piracatinga. Vor allem das Fett der Delfine mögen die Fische.

Die Anzahl der Flussdelfine ging immer mehr zurück. Daraufhin wurde in Brasilien 2015 ein fünf Jahre andauerndes Fangverbot für den Piracatinga ausgesprochen.

Der Wissenschaftler ist jedoch skeptisch, dass dieses eingehalten wird. Er betont allerdings auch, dass nicht die Fischer die „Bösen“ seien, sondern die Händler. Die Fischer wären sehr arm und bräuchten den Fisch zum Überleben.

Eine weitere Bedrohung für den Amazonas-Delfin ist das Wasser, das hochgradig mit Quecksilber verseucht ist, sagt der Experte.

Amazonas-Delfin
(Foto: Fernando Truijllo)

Verhalten der Delfine ändert sich

Im Lauf der Zeit hat Trujillo ein sich veränderndes Verhalten bei den Flussdelfinen beobachtet.

Er erzählt: „In den 1970er-Jahren begannen die Fischer mit Netzen zu fischen. Die Delfine kannten diese Netze nicht und verfingen sich in ihnen. In den 1980er-Jahren – als ich mit meiner Arbeit begann – sah ich immer noch Delfine, die sich in den Netzen verfingen. Aber ich beobachtete auch, dass einige Tiere die Netze vermieden oder sogar über sie hinweg sprangen. Und in den 1990er-Jahren schwammen die Delfine aktiv zu den Netzen hin und klaubten sich die Fische heraus.“

Bis heute ist nicht bekannt, wie viele Amazonas-Delfine und Unterarten noch im Flusssystem des Amazonas leben.

Fischburger

Doch es gibt auch Gutes zu vermelden über den Umgang mit den Flussdelfinen.

Über die geniale Idee, aus den von Delfinen angeknabberten Fischen Fischburger zu machen, hatte ich bereits vor drei Jahren in einem Beitrag über Schutzmaßnahmen im Amazonas berichtet.

Baby und Apure betasten sich gerne. (Foto: Verena Pecsy)

Mittlerweile verkaufen die Fischerfrauen, die sich in der Association of Amazonian Women Fish Processors zusammengeschlossen haben, 13.000 Fischburger im Monat. Einen Teil ihres Einkommens spenden sie für die Erhaltung der Flussdelfine.

Inspiriert von Jacques-Yves Cousteau

Inspiriert, sich mit den Amazonas-Flussdelfinen zu beschäftigen, wurde Trujillo vor gut 30 Jahren vom Dokumentarfilmer Jacques-Yves Cousteau. „Geh an den Amazonas. Dort leben Delfine, die noch ganz unerforscht sind“, lauteten Cousteaus Worte.

Im Dschungel des Amazonas begegnete der Meeresbiologe dann pinkfarbenen und grauen Delfinen. Er war vor allem von den rosafarbenen Tieren fasziniert. Als er dann noch die Legende um das Tier hörte, beschloss er, den Delfin und seinen Lebensraum zu schützen.

Delfin wird als Konkurrent angesehen

Im Lauf der Zeit hat sich alles geändert, blickt Trujillo zurück. Immer mehr Menschen bewohnen den Amazonas und heute glauben viele Fischer, der Flussdelfin wäre ihr Konkurrent.

Trujillo überraschte einmal einen Fischer, der für seine Existenzprobleme die jagenden Delfine verantwortlich machte. Der Forscher schlug diesem Fischer vor, mit ihm zusammen Flussdelfine zu schießen. Der Fischer schaute ihn daraufhin ungläubig an und wandte ein: „Ich denke, du willst Delfine schützen, warum willst du sie dann erschießen?“ „Wenn du glaubst, die Delfine sind der einzige Grund dafür, warum es euch schlecht geht, dann räumen wir dieses Problem aus der Welt und warten ab, ob es euch dann besser geht“, lautete Trujillos Antwort. Der Fischer hatte verstanden. Ab diesem Moment versucht der Meeresbiologe zusammen mit den Fischern Lösungen zu finden.

Der Film „A River Below“ befasst sich mit dem Flussdelfin und seiner Bedrohung durch die vielen Millionen Menschen, die am Amazonas leben.
(Quelle: The “dolphin who became man”: will the boto survive the catfish trade?)

YAQU PACHA

Die MEERESAKROBATEN unterstützen die Artenschutzorganisation YAQU PACHA. Diese kümmert sich um die wasserlebenden Säugetiere am Amazonas. Mehr über ihre Arbeit erfahrt ihr auf deren Website unter Projekte.

Lesetipp

Die Botschaft der Rosa Delfine

2 Kommentare

  1. Am faszinierendsten finde ich, wie die Delfine im Lauf der Zeit nicht nur gelernt haben, die Gefahr durch die Netze zu erkennen und zu vermeiden, sondern auch, sich einen Vorteil zu verschaffen, indem sie einzelne Fische klauen

    geschrieben von Oliver
  2. Vielen Dank für diesen grandiosen Beitrag!
    Wie überall auf der Welt, ist die Fischerei mittlerweile das größte problem für Wale und Kleinwale.

    geschrieben von Bettina Wurche

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