Meeresakrobaten, 13. März 2025
Eine Einschätzung zu Sarah Connors neu gegründeter Stiftung und ihrer Einstellung zu Delfinarien.
Sowohl im Internet, im TV und in den Printmedien ist die Pop- und Soul-Sängerin Sarah Connor zurzeit über Gebühr präsent. Dabei geht es nicht um ihre gesangliche Leistung, die erwiesenermaßen eine große Anhängerschaft hat.
Verhinderte Meeresbiologin
Die Sängerin outet sich in diversen Veröffentlichungen als verhinderte Meeresbiologin. Schon immer hätte sie sich für Meeressäuger interessiert, kann man erfahren. Und da sind es schwerpunktmäßig die Schwertwale (Orcas), die ihr Interesse geweckt haben.
Vor allem nach einer längeren Tournee fühlt Sarah Connor sich ihren „Seelen- und Herzenstieren“ verbunden. Deshalb hat sie vor einiger Zeit beschlossen, dass sie – bevor sie nach einer arbeitsreichen Tournee in einen Blues fällt – sich vermehrt um Orcas kümmern möchte.
Iberian Orca Guardians
Zusammen mit Janek Andre (Gründer der Organisation WeWhale) hat die Sängerin die Stiftung Iberian Orca Guardians ins Leben gerufen.
Diese verfolgt laut Website ein hehres Ziel: „Unsere Mission ist es, die Orcas zu schützen und das Bewusstsein für die Herausforderungen zu schärfen, denen sie gegenüberstehen. Durch aktive Patrouillen, Aufklärung und Konfliktlösung stellen wir sicher, dass Menschen und Orcas friedlich koexistieren können.“
Interaktionen mit Segelbooten
Die großen Delfine kommen immer im Frühling in die Straße von Gibraltar (eine Meerenge, die das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet) und bleiben dort bis September.
Sie haben es auf den Thunfisch abgesehen – genauso wie die Fischer. Oft beginnt ein Wettjagen zwischen Mensch und Orca.
Auch wurden die tierischen Jäger in dieser Gegend bekannt durch ihre Interaktionen mit Segelbooten. Sie haben – wahrscheinlich im Rahmen spielerischen Herumtollens oder aus Langeweile – bereits etliche Ruderanlagen zerstört.
Fischer und Segler sind den Orcas also nicht immer wohlgesinnt.
Starke Unterstützung von Sea Shepherd
„Mit starker Unterstützung durch Sea Shepherd France“ versuchen Sarah Connor und ihre Mitstreiter die Sicherheit und das Wohlergehen der Orcas in ihrem natürlichen Lebensraum zu erhalten, kann man weiter auf der Website von Iberian Orca Guardians erfahren.
Nicht erwähnt wird in den Veröffentlichungen, dass die Loro Parque Foundation (Teneriffa) ebenfalls seit vielen Jahren mehrere Projekte zur Erforschung und Erhaltung der Orca-Population in der Straße von Gibraltar unterstützt.
Siehe dazu auch das aktuelle ZEIT-Interview mit Sarah Connor und Christoph Kiessling, Vizepräsident des Zoos Loro Parque auf Teneriffa und Leiter der angeschlossene Artenschutz-Stiftung.
Kommerzielle Whale-Watching-Touren
Soweit ganz schön. Doch surft man ein bisschen um diese neu gegründete Stiftung im Netz herum, stößt man sehr bald auf ein Whale-Watching-Unternehmen – nämlich das von Sarah Connors Mitstreiter Janek Andre gegründete WeWhale.
Dort geht es vorrangig um kommerzielle Interessen wie bei vielen anderen Anbietern in dieser Gegend.
Hohe Preise
Zweieinhalb Stunden Ausflug auf dem Meer kosten bei „WeWhale“ 85 Euro. Davon werden laut Website-Information offenbar 7,5 Prozent von jedem Ticket für die Arbeit der Schwesterorganisation WeWhale Association gespendet. Privat gebuchte Touren mit bis zu zehn Leuten kosten 750 Euro.
Vergleichbare Touren – wie zum Beispiel von Tumares – werden wesentlich preisgünstiger angeboten.
Unendlich oft Wiedergekäutes
Wenn die Sängerin über ihre Stiftung spricht, holt sie im Anschluss daran meist zu einem Rundumschlag gegen Delfinarien aus.
In der Sendung 3nach9 erzählt Sarah Connor zum Beispiel das, was bereits unendlich oft durchs Netz gegeistert ist und wiedergekäut wurde. „Orcas können über 100 Jahre alt werden – aber nur in der Wildnis und nicht in Gefangenschaft.“
Ich frage mich, welchem Schwertwal es vergönnt ist, so alt zu werden … Denn auch bei den Tieren ist es wie bei den Menschen. Einige werden uralt, aber die meisten erreichen kein so hohes Alter.
Und im oben erwähnten ZEIT-Interview behauptet Sarah Connor, Orcas würden 1.000 Meter tief tauchen.
Auf der Website der Deutschen Stiftung Meeresschutz kann man lesen, dass sich Schwertwale überwiegend im Oberflächenwasser aufhalten. Meistens tauchen sie nicht tiefer als 20 Meter. Natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen – wie bei allen Tieren (siehe Punkt Alter). Aber es ist keinesfalls die Regel, dass Orcas 1.000 Meter tief tauchen. Viele von ihnen haben sich außerdem darauf spezialisiert, nahe an der Wasseroberfläche Fische von Langleinen zu stibitzen.
Wie kommt die Sängerin auf Tierquälerei?
Etwas verstört hat mich das Wort „Tierquälerei“, das die Sängerin in Bezug auf in menschlicher Obhut gehaltene Delfine (und damit auch Orcas) in den Mund nimmt.
Sarah Connor ist Pferdebesitzerin … Zur Pferdehaltung gibt es viele Abhandlungen, welche die Zähmung sowie das Reiten dieser Flucht- und Herdentiere für nicht artgerecht ansehen … (Siehe hierzu auch meinen Beitrag Welchen Tieren geht es in Deutschland besser – Pferden oder Delfinen?)
Wie sieht „Freiheit“ für wilde Tiere aus?
Doch die Negativ-Attribute gegenüber Delfinarien und zoologischen Anlagen haben sich festgefressen, ohne hinterfragt zu werden. Denn wie heißt es immer so schön auf den Aktivisten-Bannern: „Artgerecht ist nur die Freiheit! Basta!“
Dass der Begriff „Freiheit“ nur ein romantisierter Ausdruck ist, wird nicht kommuniziert.
Delfine schwimmen nun mal nicht kilometerweit, weil sie etwa am Zurücklegen großer Entfernungen große Freude empfinden oder sich in ihrer Freizeit sportlich betätigen wollen, sondern ausschließlich weil sie aus dem Revier eines Artgenossen vertrieben wurden, weil sie einen Paarungspartner oder ihre Beute erst einmal finden müssen.
Aber lassen wir das. Es ist ja schön, dass Sarah Connor eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung – sie nennt es Mission – gefunden hat, wenn sie mal nicht auf Tournee ist. Aber sie soll bitte das Hetzen gegen seriös betriebene Delfinarien lassen … Dafür spreche ich ihr einfach die nötige Expertise ab und zu viel Gefühlsduselei zu.
(Quellen: 3nach9, Iberian Orca Guardians, WeWhale, Loro Parque Foundation und ZEIT)
Lesetipps
* Ein Wal im Zoo – ist das okay?
* Meeresgehege scheitern an der Praxis
* Zum romantisierten Begriff „Freiheit“
* Zur Frage: Haben die Delfine genügend Platz?
* Orcas rammen Boote aus Langeweile
* Warum greifen Orcas Boote an? Drei Thesen
* Orcas versenken Jacht vor Gibraltar
* Das „Schiffe versenken“ der Orcas
* Geräusche gegen Orca-Interaktionen
* Neuer Lösungsansatz – die Tiere anschreien!
* Orcas mischen beim Ocean Race mit
* Warnrufe sollen Wale schützen
* Orcas greifen Segelboote an
Ah, na das Geschäftsmodell kommt mir bekannt vor. Gegen Delfinarien hetzen, in einem Tourismus-Hot-Spot eine fragwürdige Stiftung o.ä. gründen, mit der man vor Ort auf undurchschaubare Art und Weise mit kommerziellen Whale-Watching-Konzernen verbändelt ist.