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Besserer Walschutz durch Wärmekameras


Physiker des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, haben an Bord des Forschungsschiffes Polarstern erfolgreich ein Wärmebild-Kamerasystem getestet, das Großwale sowohl am Tage als auch bei Nacht bis auf eine Entfernung von fünf Kilometern automatisch an ihrem Blas erkennt.

Zwergwale in der Antarktis (Foto: Stefan Hendricks, Alfred-Wegener-Institut)

Zwergwale in der Antarktis
(Foto: Stefan Hendricks, Alfred-Wegener-Institut)

Schutz vor Unterwasserlärm

Wie die Wissenschaftler in einer aktuellen Studie des Fachmagazins PLOS ONE berichten, hat das Kamerasystem bei sieben Expeditionen in die Arktis und Antarktis deutlich mehr Wale erfasst als Forscher, die mit dem Fernglas Ausschau nach den Tieren gehalten hatten. Die Wärmebild-Kamera und die dazugehörige Auswertungssoftware stellen damit ein wirksames Instrument zum Schutz der seltenen Meeressäuger vor intensivem Unterwasserlärm dar.

Blas als weiße Fontäne zu erkennen

„Die Wärmebild-Kamera ist in 28 Metern Höhe am Polarstern-Krähennest angebracht. Sie sitzt auf einem Stabilisator, der die Schiffsbewegungen ausgleicht, dreht sich fünf Mal pro Sekunde um die eigene Achse und erzeugt einen 360-Grad-Videostream der Schiffsumgebung, auf dem warme Regionen heller dargestellt werden als kältere. Der Wärmesensor ist so empfindlich, dass er Temperaturunterschiede von weniger als ein hundertstel Grad Celsius abbildet. Walblas, der zumindest in subpolaren und polaren Regionen deutlich wärmer ist als das Wasser, ist demzufolge auf den Aufnahmen als hellgraue oder weiße Fontäne zu erkennen“, erläutert Dr. Daniel Zitterbart, Physiker am Alfred-Wegener-Institut (AWI).

Wärmebildaufnahme eines Walblases (Foto: Daniel Zitterbart, Alfred-Wegener-Institut)

Wärmebildaufnahme eines Walblases
(Foto: Daniel Zitterbart, Alfred-Wegener-Institut)

Die Auswertung der Bilddaten übernimmt eine von Zitterbart entwickelte Software. „Walblas wird auf den Wärmebildaufnahmen mit einem ganz spezifischen Muster hell und wieder dunkler. Unsere Software teilt nun jedes der aufgezeichneten Bilder in 31 600 Kästchen ein und untersucht diese Kästchen einzeln nach Helligkeitsunterschieden. Anschließend entscheidet der Rechner, ob die Dynamik eines wahrgenommenen Helligkeitsunterschiedes den Merkmalen eines Walblases entspricht oder nicht. So entdecken wir auch jene Tiere, die nur für einen ganz kurzen Atemzug aufgetaucht sind“, sagt der Physiker.

Sichtungswahrscheinlichkeit doppelt so hoch

Die Treffergenauigkeit des Infrarot-Messsystems überzeugt: Auf einer der sieben Arktis- und Antarktis-Expeditionen, von denen die Forscher im Fachmagazin PLOS ONE berichten, verzeichnete die Kamera etwa doppelt so viele Wale in Schiffsnähe wie Wissenschaftler, die mit dem Fernglas nach den Tieren Ausschau gehalten hatten. „Die entscheidende Stärke unseres Systems liegt darin, dass wir mit ihm rund um die Uhr und vor allem bei Dunkelheit, Großwale wie Blau-, Finn-, Glatt- oder Grauwale mit hoher Genauigkeit lokalisieren und auf diese Weise besser schützen können. Denn wann immer ein Tier vom System detektiert wird, werden entsprechende Sicherheitsmaßnahmen veranlasst“, sagt Dr. Olaf Boebel, Leiter der AWI-Arbeitsgruppe „Ozeanische Akustik“ und Mitautor der Studie.

Beste Ergebnisse bei Dunkelheit

Bei Dunkelheit, so zeigten die Vergleichsmessungen, ist die Datenqualität der Wärmebildkamera wegen der fehlenden Lichtreflexionen auf der Wasseroberfläche sogar noch höher als am Tage. Und selbst bei Eiseskälte, rauer See und Windstärke 6 konnten sich die AWI-Forscher auf ihr System verlassen. „Die Einsatzmöglichkeiten des Gerätes gehen weit über jene Wetterbedingungen hinaus, bei denen seismische Untersuchungen durchgeführt werden“, sagt Olaf Boebel. Das Ein- und Ausbringen der Luftpulser beispielsweise wird schon ab einer Wellenhöhe von sechs Metern schwierig.

Störungen, wenn viele Vögel fliegen

Fehleranfällig zeigte sich der Wal-Detektor lediglich, wenn viele Vögel gleichzeitig durch das Sichtfeld der Kamera flogen oder zahllose kleinere Eisbrocken auf der Wasseroberfläche trieben. „Unsere Auswertungssoftware haben wir bisher vor allem auf Fahrten im offenen Wasser zugeschnitten, denn vor allem dort kommen Luftpulser für seismische Untersuchungen zum Einsatz“, so Daniel Zitterbart.

The FIRST Navy detection system on Polarstern (Foto: Lars Kindermann, Alfred-Wegener-Institut)

The FIRST Navy detection system on Polarstern
(Foto: Lars Kindermann, Alfred-Wegener-Institut)

Zweite Kamera bestimmt Walart und Standort

Er arbeitet nach dem erfolgreichen Härtetest für Technik und Software schon an der nächsten System-Erweiterung: „Wir haben jetzt eine zweite, normale Kamera an das Infrarot-System gekoppelt. Sie fotografiert vom Krähennest aus automatisch jeden vom System gemeldeten Wal. Auf diese Weise können wir im Anschluss seine Art bestimmen und erhalten Daten über die Größe und Verteilung der Großwal-Populationen“, sagt Daniel Zitterbart.

Ein weiteres Plus: Der Wärmebild-Waldetektor gibt für jeden detektierten Wal auch die Standort- und Entfernungsdaten an. Mit deren Hilfe können die AWI-Wissenschaftler dann Bewegungsprofile der Tiere erstellen und ihr Verhalten bei Begegnungen mit Schiffen untersuchen.

Test in wärmeren Gewässern

Das bewährte Wal-Ortungssystem soll ab dem kommenden Jahr dauerhaft am Krähennest Polarsterns installiert und dann in zunehmendem Maße bei Expeditionen genutzt werden. Das Entwicklerteam plant außerdem, das System in Meeresgegenden mit einer Wassertemperatur von mehr als 10 Grad Celsius zu testen. Seine ersten Einsätze in den polaren und subpolaren Regionen hat es mit Bravour bestanden.

Förderer ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Das Projekt wurde gefördert durch das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (grant Nr. BMBF 03F0479I) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (grant Nr. BMU 370891101-01). Die Geldgeber waren am Design der Studie, der Datenerhebung und Analyse, der Entscheidung, diese zu publizieren sowie an der Erstellung des Manuskriptes nicht beteiligt.

Über das Alfred-Wegener-Institut

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 18 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
(Quelle: Alfred-Wegener-Institut)

2 Kommentare

  1. So ist es mit jeder Erfindung, Rüdiger. Jeder Fortschritt hat auch seine Schattenseiten …

    geschrieben von Susanne
  2. Wenn Wale-Finden mit Wärmebildkameras so gut klappt, werden diese Einrichtung sicher auch bald die Walfänger-Boote haben :o(

    geschrieben von Rüdiger

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