Dr. Kerstin Ternes ist Leitende Zootierärztin des Zoos Duisburg, Kuratorin des Duisburger Delfinariums sowie Fachtierärztin für Zoo- und Wildtiere.
In Duisburg ist Dr. Ternes u.a. auch für die dort lebenden sieben Großen Tümmler zuständig. Anlässlich der öffentlichen Anhörung im Düsseldorfer Landtag am 28. April 2014 (die MEERESAKROBATEN hatten darüber berichtet) hat Dr. Ternes die Stellungnahmen der Delfinariengegner in einem eigenen Statement bewertet.
Da diese Bewertung sehr umfangreich ist, habe ich sie in mehrere Teile gegliedert, die nach und nach bei den MEERESAKROBATEN veröffentlicht werden.
TEIL 1: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Dr. Tanja Breining, PETA Deutschland
TEIL 2: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Dr. Karsten Brensing, WDC
TEIL 3: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Nicolas Entrup, Shifting Values
TEIL 4: Kritische Bemerkungen zur Stellungnahme von Jürgen Ortmüller, Steuerberater und Geschäftsführer des WDSF
Heute geht es um die bewertete Stellungnahme von Dr. Karsten Brensing, WDC
Nicht realitätsgetreue Zeichnung
Herr Dr. Brensing beginnt seine Stellungnahme mit einer Zeichnung, die gemäß seiner Stellungnahme maßstabsgetreu den Lebensraum der Delfine im Duisburger Delfinarium wiedergibt.
Der freie Journalist Philipp Kroiß hat sich mit dieser Zeichnung etwas genauer befasst und schreibt hierzu Folgendes: „Druckt man diese Grafik aus, fällt Folgendes auf: Die Kantenlänge des Würfels ist ca. 7,8 cm. Dies soll in der Realität 14,5 Metern entsprechen. Somit entsprächen 7,8 cm auf dem Blatt 1450 cm in der Realität.
Das würde bedeuten, dass 1 cm auf dem Blatt etwa 186 cm in der Wirklichkeit entsprechen. Dr. Brensings Delfine sind von Schnabelspitze zur Fluke 2,1 cm lang. Das entspricht einer Länge der Tiere von etwa 3,90 Metern. Ivo ist Duisburgs größter Delfin, mit einer Länge von etwa 2,80 m. In Dr. Brensings Abbildung sind also alle Delfine größer als ausgewachsene Tiere.
Realität wird mit dieser Abbildung nicht dargestellt: Es sind nicht alle Tiere adult und haben die Maximalgröße oder gehen darüber hinaus. Hier wird also das Verhältnis von Beckengröße und Tiergröße nicht realitätsgetreu nachgestellt.
Fernerhin ist auch die Abbildung des Delfinariums als Würfel völlig realitätsfremd. Es wird der Eindruck erweckt, als wäre die Oberfläche des Beckens 210,25 qm. Das ist natürlich völlig falsch. Warum hat ein Sachverständiger es nötig, hier wohl Tatsachen nicht realitätsgetreu darzustellen? Wäre es nicht richtig gewesen, auch die Delfine in den Maßstab einzupassen, wenn man einen ordentlichen Eindruck der Tatsachen vermitteln will? Wenn man die 2,1 cm Delfin auf den aufgeführten Maßstab bezieht, wäre der Delfin in der Wirklichkeit 4,20 Meter lang. Eine Größe, die die übliche, maximale Größe von atlantischen Großtümmlern einen halben Meter übertrifft.“
Keine Erfahrungen aus Delfinarium
Herr Brensing betont in seiner Einleitung, dass er im Rahmen seiner Promotion über 7 Jahre mit in Meeresbuchten gehaltenen Delfinen in Florida und Israel gearbeitet habe, nachweislich aber nie mit Delfinen in einem Delfinarium. Seine Promotion umfasst übrigens nur Daten aus etwa 7 Monaten.
Provokative und irreführende Schreibstil
Auffällig ist der provokative und irreführende Schreibstil von Herrn Brensing. So schreibt er im Absatz „Die internationale Situation“,
– „aus den beschlagnahmten Akten ging hervor, dass die Tiere ähnlich wie in Italien unter Psychopharmaka gehalten werden.“ –
Diese Aussage ist falsch. In dem Artikel, den Herr Brensing hierzu zitiert, wird dieses von Delfinariumsgegnern vermutet. Laut Herrn Brensing klingt dieses jedoch wie eine Tatsache.
Auch die Schließung des Delfinariums in Rimini wird von Herrn Brensing nicht ganz eindeutig dargestellt, denn die Tiere wurden aus dem Grund an ein anderes Delfinarium überführt, da die bestehenden Altanlagen in Rimini nicht mehr den heutigen gesetzlichen Vorgaben einer Delfinhaltung entsprachen und die Besitzer keine (finanziellen) Mittel für einen Um- oder Erweiterungsbau hatten.
Problemfälle aufgrund von Delfinariumsschließung
In Herrn Brensings Absatz „Die Situation in Deutschland“ führt er aus, dass zwei Delfine aus Soltau, die jetzt in Nürnberg leben, in absehbarer Zeit in ein Meeresgehege überführt werden sollen. Was Herr Brensing hierbei nicht erwähnt, ist die Tatsache, dass im Zuge der Schließung des Delfinariums in Soltau die beiden Bullen vorübergehend im Tiergarten Nürnberg eingestellt wurden.
Die beiden Brüder waren unverträglich und konnten nicht in die bestehende Gruppe integriert werden. Es dauerte 5 Jahre, bis eine Lösung gefunden werden konnte. Mittlerweile konnte ein Tier in die Gruppe integriert werden und das andere Tier ist als Zuchtbulle nach Harderwijk, in den Niederlanden transportiert worden. Der Tiergarten ist mit der problematischen Lage dieser Tiere immer offen umgegangen.
Pauschalisierung von Medikamentengaben
Bei der von Herrn Brensing für den Tiergarten Nürnberg aufgeführten medikamentellen Behandlung werden die Medikamentengaben pauschal aufgeführt, ohne auf Einzelfälle einzugehen. Wenn man den Unterlagen entnehmen kann, dass ein Tier langfristig über Jahre behandelt werden musste, aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung, dann ist es unlauter, diese Medikamentierung als Durchschnittswert über alle Tiere zu mitteln. (Das behandelte Tier wurde übrigens geheilt).
Die Tierärztin des Tiergartens Nürnberg, Frau Dr. Baumgartner, hatte der WDC angeboten, die Behandlungen im Einzelnen zu erläutern. Dieses wurde seitens der WDC nicht in Anspruch genommen.
Diazepam nur in Ausnahmefällen
Für den Zoo Duisburg behauptet Herr Brensing, dass der Zoo die Gabe von Diazepam bestritten habe, bis das Gegenteil belegt werden konnte. Fakt ist, dass der Zoo Duisburg zu keinem Zeitpunkt die Gabe von Diazepam bestritten hat, dieses Mittel jedoch nur in Ausnahmefällen nach tiermedizinischer Indikation im Krankheitsfall verabreicht wird, seit 2006 insgesamt zweimal bei zwei Tieren für wenige Tage.
Ungefährliche Einzelgaben
Darüber hinaus prangert Herr Brensing an, dass selbst stillende Muttertiere mit Psychopharmaka behandelt wurden, wie einer im Duisburger Delfinarium durchgeführten Doktorarbeit zu entnehmen sei.
Fakt ist, dass in der besagten Dissertation über ein einziges stillendes Muttertier berichtet wird, das eine einmalige Gabe von 40 mg Diazepam erhalten hat, da die Mutter Probleme hatte, das Jungtier säugen zu lassen. Dies ist nicht nur veterinärmedizinisch zu vertreten, sondern auch in der Humanmedizin eine vertretbare Praxis.
In der Fachquelle Embryotox, die sich mit Medikamenten in der menschlichen Schwangerschaft und der Stillzeit beschäftigt, steht zu Diazepam:
Mütterliche Einzeldosen scheinen beim Säugling keine Wirkungen hervorzurufen. Empfehlung: Stillen unter Monotherapie bzw. moderater Dosierung bei guter Beobachtung des Kindes akzeptabel.
In der gemeinschaftlichen Stellungnahme des Deutschen Tierschutzbundes, des Bundes gegen Missbrauch der Tiere e.V. und animal public wird auf eine Publikation von Born Free hingewiesen. Hier hat Dr. John A. Knight den Bericht: Diazepam – its use in captive bottlenose dolphin (Tursiops truncatus) geschrieben. In diesem spricht er von einer normalen oralen Dosis von 0,25-0,1 mg/kg.
Mit der seinerzeitigen Dosierung beim Duisburger Delfinweibchen von lediglich 0,22 mg/kg wurde die oben angegebene und empfohlene Mindestdosierung sogar noch deutlich unterschritten. Weder gibt Herr Brensing in seiner Stellungnahme korrekt wieder, dass es sich in Duisburg nur um einen Einzelfall bei einem einzigen Muttertier handelt, noch dass das Tier lediglich einmal mit einer extrem niedrigen Einzeldosis behandelt wurde.
Auch im Freiland unterschiedliche Gruppenstrukturen
Bzgl. der Sozialstruktur der Delfine kritisiert Herr Brensing, dass die Delfine im Delfinarium in unnatürlichen Gruppenstrukturen gehalten würden, da im Freiland nach Geschlechtern getrennte Gruppen existieren. Keine Erwähnung findet hingegen die Tatsache, dass Delfine im Freiland je nach Lebensumständen in sehr unterschiedlichen Gruppenstrukturen leben, u.a. auch in Gruppenstrukturen, wie im Delfinarium gegeben.
Geschlechterverhältnis
Erstaunlich ist, dass ein qualifizierter Biologe wie Herr Brensing das Geschlechterverhältnis der zuletzt geborenen Delfine mit einem aus seiner Sicht ungewöhnlich hohen Anteil weiblicher Tiere in Frage stellt und indirekt suggeriert, dass dieses durch eine veterinärmedizinische Intervention erzielt worden sein könnte, um gezielt Weibchen zu züchten.
Wie stellt sich ein Herr Brensing Derartiges vor? Erstens wird im Duisburger Delfinarium ein Zuchtmännchen in der Gruppe gehalten, der nicht benötigt würde, wenn die Zuchtweibchen mit gesextem (vorher nach Geschlechtern selektiertem) Sperma besamt würden, und zweitens muss man sich dann wundern, warum bei den letzten Jungtieren ein Geschlechterverhältnis von zwei Männchen und nur einem Weibchen gegeben war.
Delfine bekommen kein „Aas“ gefüttert
Im Abschnitt „Ursache, Wirkung und Lösung…“ führt Herr Brensing an, dass Delfine im Freiland keinen toten Fisch fressen würden, den er, obschon promovierter Biologe, fälschlicherweise als Aas bezeichnet (Aas ist Fleisch, das sich im Verwesungszustand befindet). Im Delfinarium werden hingegen frisch gefangene und sogleich tiefgefrorene Fische verfüttert, die die gleiche Qualität aufweisen wie Fische, die wir Menschen im Supermarkt oder anderswo kaufen, die auch kaum als Aas bezeichnet werden.
Fakt ist zudem, dass auch wild lebende Delfine toten Fisch zu sich nehmen, was vielerorts z.B. in der Nähe von Fischerbooten, an Anglerstegen oder in Buchten beobachtet werden kann, wo Delfine mit totem Fisch angefüttert werden.
Delfine können sich aus dem Weg gehen
Ähnlich wie Frau Breining behauptet auch Herr Brensing, dass die Delfine im Delfinarium Aggressionen nicht durch Wegschwimmen entkräften können, und bezieht sich hierbei auf seine Erfahrungen in der Meeresbucht des Dolphin Reef in Israel, hierbei völlig missachtend, dass moderne Delfinarien bewusst als Mehrbeckensystem gestaltet sind, sodass sich die Tiere aus dem Weg gehen können und u.a. Sichtkontakt genommen wird, was in einer abgegrenzten Bucht wie in Israel hingegen nicht möglich ist.
Verleumdungen
Im Absatz „Das neue Säugetiergutachten“ unterstellt Herr Brensing sogar, dass der Zoo Duisburg falsche Angaben zum Medikamentengebrauch machen oder sogar Daten zum Zuchterfolg manipulieren würde, obschon all diese Daten von den offiziellen, für den Zoo Duisburg verantwortlichen Behörden kontrolliert werden, denen Herr Brensing dann gleichfalls Falschangaben und Manipulation unterstellen würde. Auch seine Behauptung, dass das Verhalten der Delfine mittels Hormonen und Psychopharmaka an die Haltungsbedingungen angepasst wird, ist durch und durch falsch, stellen nichts anderes als eine Verleumdung dar und würde behaupten, dass alle Verantwortlichen inklusive der kontrollierenden Behörden ihre gesetzlichen Pflichten gegenüber den Tieren verletzten würden.
Europäisches Zuchtbuch
Mit Bezug auf das deutsche Säugetiergutachten und auf den Antrag der Piraten, die Delfinhaltung in Deutschland zu verbieten, verweist Herr Brensing auf die „Geheimhaltung“ der Daten des Europäischen Zuchtbuches der Großen Tümmler. Einerseits kann über die Herausgabe der Daten weder der Zoo Duisburg noch der Tiergarten Nürnberg, sondern vielmehr der in Frankreich tätige Zuchtbuchführer verfügen und andererseits muss man sich fragen, was die Daten zur Delfinhaltung in z.B. Italien mit der Delfinhaltung in Deutschland zu tun haben, wo die Daten der dort gehaltenen Delfine u.a. im Internet frei abrufbar verfügbar sind.
Zu den Empfehlungen von Herrn Brensing:
Akteneinsicht: Herrn Brensings Empfehlung, dass die Duisburger Daten zur Delfinhaltung von Fachkräften der Veterinärmedizin und der Verhaltensbiologie evaluiert werden sollten, wird vom Zoo Duisburg seit Jahren erfüllt, ohne dass es seitens der genannten Fachkräfte (u.a. offizielle Tierärzte des Landes NRW, international renommierte Delfinverhaltensforscher) irgendwelche Beanstandungen gäbe.
Säugetiergutachten: Entgegen der Anschuldigungen und Behauptungen seitens Herrn Brensing entspricht die Delfinhaltung den Vorgaben des deutschen Tierschutzgesetztes und des Bundesnaturschutzgesetztes, ohne jegliche Beanstandungen seitens der kontrollierenden Behörden.
Außengehege: Seit Anbeginn werden die Duisburger Delfine in einem geschlossenen Delfinarium gehalten, ohne Außenanlage, ohne dass es irgendwelche Anzeichen gab oder gibt, dass diese Situation den Delfinen nicht gerecht würde. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Studien, die eine Notwendigkeit einer Außenanlage belegen. Nicht von ungefähr werden unzählige Tierarten in Zoologischen Gärten dauerhaft in Innenanlagen gehalten, so lange diese die für die Tiere nötigen Licht- und Luftverhältnisse bieten, wie dieses in jedem Aquarium, Terrarium oder Tropenhalle gegeben ist.
Herr Dr. Brensing fordert einerseits in seiner Stellungnahme, dass die Delfine im Delfinarium ihrem natürlichen Verhalten (inkl. Fortpflanzungsverhalten) nachgehen müssen, fordert im direkten Widerspruch andererseits aber einen sofortigen Zuchtstopp, der absolut tierwidrig wäre, da die Tiere eines Großteils ihres natürlichen Verhaltens beraubt würden.
Wenn der Fachwissenschaftler Herr Brensing im Zusammenhang des Wegschwimmens von „agnostischem“ Verhalten schreibt, dann meint er sicherlich „agonistisches“ Verhalten, wobei – wie oben erklärt – ein Wegschwimmen bei möglichen Spannungen in der Gruppe aufgrund des gegebenen Mehrbeckensystems jederzeit gegeben ist.
Transport in ein Meeresgehege: Hier führt Herr Brensing ein Beispiel an, das seit vielen Jahren fehlgeschlagen ist.
(Quelle: Landtag NRW, Stellungnahme von Dr. Kerstin Ternes)
Wie kann man sich als Wissenschaftler nur dermaßen disqualifizieren, wie es ein Herr Brensing tut? Er sollte doch spätestens bei seiner Promotion gelernt haben, wie man wissenschaftlich arbeitet.
Seine Stellungnahme ist jedenfalls das glatte Gegenteil von „wissenschaftlichem Arbeiten“ und eher als blanke Propaganda zu bezeichnen.
Und dass es ihm um die Tiere geht, muss man nach den widersprüchlichen Forderungen seines Pamphletes wohl weitgehend ausschließen. Hier geht es nur noch um Panikmache und Spendendgelder für eine zunehmend zweifelhafte Organisation.
Schade, dabei gäbe es so viel zu tun!