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Keine „Zwangsernährung“


Kristian B. hat am 8. März auf der Facebook-Seite der MEERESAKROBATEN den Bericht einer ehemaligen Delfinariums-Praktikantin gepostet.

Moby bekommt Süßwasser. (Foto: Rüdiger Hengl)

Moby bekommt Süßwasser. (Foto: Rüdiger Hengl)

Vorwürfe

Im Facebook-Beitrag steht, dass die Praktikantin im Nürnberger Delfinarium mit angesehen hat, wie das Delfin-Weibchen Jenny mehrmals täglich über einen Schlauch Süßwasser verabreicht bekommen hat und dass Jenny diese Prozedur manchmal nicht so gerne über sich hat ergehen lassen. Es wird gar von „Zwangsernährung“ gesprochen.

Außerdem hat die Praktikantin die unterschiedliche Futtermenge, die an die Großen Tümmler verteilt wurde, kritisiert. Nicht gefallen hat ihr außerdem, dass die Delfine zusätzlich Eiswürfel „gefüttert“ bekamen.

Vorurteile

Als nicht ausreichend informierter Betrachter lassen sich diese (medizinische und ernährungsbedingte) Maßnahmen auch nicht ohne Weiteres verstehen. Ein Grund mehr, sich über die Delfinhaltung erst einmal gründlich zu informieren, bevor man „Schauermärchen“ in die Welt setzt, die die klickfreudige Delfinarienhassser-Gemeinde gerne schluckt und sich aus derartigen Infos ihr (Vor)Urteil bildet.

Praktikum im Jahr 2009

Mich wundert es, dass die ehemalige Praktikantin anonym schreibt, obwohl ihre Identität doch bekannt ist. Liegt es daran, dass ihre Beobachtungen bereits knapp dreieinhalb Jahre zurückliegen und sie ihren eigenen Erinnerungen nicht mehr so recht traut? Egal, ich nenne die Namenlose jetzt einfach mal A.H. ;o)) Warum A.H. erst heute Kritik an den Mitarbeitern des Nürnberger Delfinariums übt, bleibt ihr eigenes Geheimnis.

Kein Geheimnis dagegen ist, warum die beiden Großen Tümmler Moby und Jenny bereits seit einigen Jahren über einen Schlauch mit Süßwasser versorgt werden.

Jenny aus Nürnberg (Foto: Verena Pecsy)

Jenny aus Nürnberg (Foto: Verena Pecsy)

Nierenversagen

In freier Wildbahn sind Nierensteine und Nierenversagen neben Infektionen die häufigsten Todesursachen bei alten Delfinen, da die Tiere einen äußerst knappen Wasserhaushalt haben. Süßwasser nehmen sie ausschließlich über ihre Nahrung auf. Diese kann aber den vermehrten Flüssigkeitsbedarf eines kranken Tieres nicht regulieren.

Dass man in Delfinhaltungen nicht einfach zuschaut, wie die Tiere Nierensteine entwickeln und qualvoll daran eingehen, sollte selbstverständlich sein.

Die Gabe von größeren Mengen Süßwasser ist die sanfteste und effektivste Methode, den Blutdruck der Delfine zu senken und im Entstehen begriffene Nierensteine aufzulösen. Gegebenenfalls werden auch Tabletten verabreicht, die den pH-Wert im Urin so verändern, dass die Neubildung von Nierensteinen verhindert wird.

Kein Würgereflex

Die Sache mit dem Schlauch ist für die Tiere ganz offenbar kein besonderes Problem – jedenfalls kann von Zwang keine Rede sein. Moby und Jenny werden weder festgehalten, noch kann man sie zwingen zu kommen und das Maul aufzusperren. Sie sind durch das tägliche sogenannte „Medical Training“ an derartige Prozeduren gewöhnt (ähnlich einem Hund, der bereits in jungen Jahren durch entsprechendes Training auf einen anstehenden Tierarzt-Besuch vorbereitet werden kann).

Da Delfine keinen Würgereflex kennen (weil keine Verbindung zwischen Schlund und Luftröhre besteht), ist das Ganze eine ziemlich entspannte Sache. Wer Moby dabei beobachtet hat, kann das bestätigen. Und wenn ein Tier mal nicht mitmacht (wie im geschilderten Fall Jenny), dann wird es auch nicht gezwungen.

Ein Tierpfleger ist auch nur ein Mensch. Dass er hin und wieder mal gereizt auf einen Delfin reagieren kann, ist doch nichts Außergewöhnliches.

Delfin-Lagune Nürnberg (Foto: Frank Blache)

Delfin-Lagune Nürnberg (Foto: Frank Blache)

Medizinische „Zwangsmaßnahmen“

Wie viele Kinder oder Haustiere sind chronisch krank und müssen tagtäglich Spritzen oder Tabletten bekommen oder schmerzhafte Therapien über sich ergehen lassen? Einmal geht die Verabreichung/Behandlung ohne Probleme, ein andermal macht der Patient nicht mit. Oder man denke nur an die vielen Katzen und Hunde, die man regelrecht zwingen muss, eine Pfote in die Praxis eines Tierarztes zu setzen.

Doch die Prozedur ist letztendlich nur zu ihrem eigenen Wohl. So ist das auch bei Jenny. Da von Zwangsernährung zu sprechen ist so was von daneben …

Unterschiedliche Futtergaben

Auch dass sich die gegebene Fischmenge von Delfin zu Delfin unterscheidet, ist doch klar. Ein Weibchen braucht eine andere Menge als ein Männchen. Ein altes Tier braucht eine andere Menge als ein jüngeres Tier und, und, und … Die Eiswürfel sowie wässrige Gelatinebrocken helfen dabei, den Wasserhaushalt der Tiere zu optimieren.

Fazit

Wenn A.H. ihr Praktikum laut Facebook-Eintrag nicht vorzeitig abgebrochen hätte, hätte sie bestimmt noch manches über die Delfinhaltung lernen können und müsste heute nicht anonym schmutzige Wäsche waschen …

Lesetipps

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2 Kommentare

  1. Mich stört sehr, dass die Delfinarien-Gegner anonym immer so "hintenrum" mit uralten Meldungen aufwarten und sich nicht trauen, zu ihren Aussagen auch mit ihrem (guten?) Namen zu stehen. Seit 2009, als A. H. Praktikantin in Nürnberg war hat sich dort – nicht nur durch den Lagunenbau – die Delfinhaltung erheblich verbessert.

    geschrieben von Rüdiger
  2. Interessant, dass die Delfinariengegner den Tieren Behandlungen vorenthalten möchten, die selbst in der Humanmedizin tägliche Praxis sind.

    Wenn die Delfine für "den Fisch danach" bereitwillig den Schlauch schlucken (Flüssigkeiten können den verschlossenen Schlund nicht aufdrücken), kann die Süßwassergabe wohl kaum wirklich belastend sein. Jedenfalls werden die Delfine dazu weder festgehalten (dazu bräuchte man bei einem erwachsenen Großen Tümmler auch mindestens 8 – 10 kräftige Personen), noch werden sie extra eingefangen – Sie kommen freiwillig, wenn sie den Schlauch sehen.
    Wahrscheinlich merken sie auch selbst, dass ihnen die Behandlung gut tut.

    Aber gesunde Delfine und eine erfolgreiche medizinische Betreuung passen ganz offensichtilich nicht in das Weltbild so mancher missionarischer Eiferer mit esoterisch verzerrtem Weltbild.

    geschrieben von Norbert

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